Donnerstag, 18. August 2011

Ankommen



Wenn man nach New Orleans fährt, geht es die letzten hundert Kilometer über Marschen und Sümpfe. Es ist eine stille Landschaft zwischen Wasser und Land: Sumpfzypressen umringt von ihren Wurzelknien; Reiher stehen reglos zwischen Zedern und Palmettos, und die Mücken, Schlangen und Alligatoren kann man in der gleißenden Schwüle hinter den Scheiben nur erahnen. Es ist das Ende der Welt, so scheint es—oder zumindest das der Vereinigten Staaten von Amerika. Doch später mehren sich die Autobahnkreuze, Werbetafeln, Lagerhallen und Einkaufszentren, und wer den Reiseführer studiert hat, bemerkt auch einige der riesigen, legendären Friedhöfe, die man—so heißt es darin—als Tourist besser meiden sollte. Wenn man dann die richtige Abfahrt nimmt, holpert man durch schattige Alleen und an verwunschenen Parks vorbei: Willkommen in New Orleans.
Die „Crescent City“ (Halbmondstadt) wurde 1718 auf einer Erhöhung in einer engen Biegung des Mississippi gegründet, das ist das heutige Vieux Carré oder French Quarter. Die Stadt ist an allen Seiten von Wasser umgeben: Im Osten, Süden und Westen wird sie durch den Fluss begrenzt und im Norden vom Lake Pontchartrain, einem Salzwassersee, den man auf einer ca. 40 km langen Brücke überqueren kann. Bayous und Kanäle durchziehen die Stadt; so der 1923 eröffnete Industrial Canal entlang der Lower Ninth Ward oder der 17th Street Canal, der in den eleganten Vorort Metairie führt. Die Häuser haben hier keine Keller und begraben werden kann man nur in überirdischen Sarkophagen, denn es ist sumpfig, und ganze Stadtteile liegen bis zu eineinhalb Meter unter dem Meeresspiegel. Wenn es hier alle paar Tage tropisch gewittert--New Orleans liegt auf der Höhe von Kairo--, dann stehen die Canal Street und andere Straßen knietief unter Wasser, bis die Pumpstationen sie wieder frei gepumpt haben.

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