Montag, 29. September 2014

Geopolitisches

Als ich vor ein paar Wochen in Hamburg war, zu einer tollen Übersetzersause auf einer Barkasse im Hamburger Hafen, war ich ziemlich überrascht, wie breit die Elbe dort ist. "Wenigstens ein richtiger Fluss," meinte meine beherbergende Kollegin. Das Schiff zog Runde um Runde durch den abendlichen, dann nächtlichen Hafen, und eigentlich war es einfach nur unglaublich und unvergleichlich schön. Aber als eine Urberliner Kollegin zu mir sagte: "So was hat Berlin nicht," rutschte mir spontan heraus: "Aber New Orleans," und das vielleicht auch, aber nicht nur, weil es so ein lauer, feuchter, atmosphärischer Abend war.
Tatsächlich erinnerte mich der Hamburger Hafen ein kleines bisschen an New Orleans, obwohl Hamburg als alte Handels- und Kaufmannsstadt majestätischer und reicher und größer ist. Hier ein paar Fakten, in Annäherungswerten:
Breite der Elbe in Hamburg: 500-600 Meter
Breite des Mississippi in New Orleans: 800 Meter
Entfernung von Hamburg bis zur Mündung der Elbe: 115 Kilometer bzw. 70 Seemeilen
Entfernung von New Orleans bis zur Mündung des Mississippi: 160 Kilometer
Hafen Hamburg: größter deutscher Seehafen mit 132,2 Millionen Tonnen Güterumschlag jährlich
Hafen New Orleans: 5. größter US-Hafen mit 84 Millionen Tonnen Güterumschlag jährlich
Einwohnerzahl Hamburg: 1,75 Millionen
Einwohnerzahl New Orleans: 360.000
Eine U-Bahn hat New Orleans auch nicht (lohnt nicht und es ist zu sumpfig).

Kürzlich habe ich diese "Judgmental Map" von New Orleans gefunden, eine satirische "urteilende" Karte, in der die Stadt nach verschiedenen Gesichtspunkten unterteilt ist: Geld, Kriminalität, Ethnien usw. New Orleans ist ja streng genommen, nur das, was sich in Orleans Parish befindet, aber hier ist die New Orleans Metropolitan Area abgebildet, mit Metairie, das sich im Westen nahtlos anschließt und in Jefferson Parish liegt, und New Orleans East und Teilen von St. Bernard Parish sowie auch der Westbank (ja so heißt es). Dort, wo steht: "Brad Pitt Houses" befindet sich die Lower Ninth Ward, die durch Hurrikan Katrina besonders schlimm getroffen wurde. Die Karte findet sich hier (interessant sind allerdings auch die Kommentare).
Auch treffend, aber böse ist eine satirische Parodie auf ein Promotionsvideo der New Orleans Tourism Marketing Corporation für den Stadtteil Bywater, der sich gleich östlich an das Faubourg Marigny anschließt, das wiederum gleich neben dem French Quarter am Mississippi und am Industrial Canal liegt. Zu Bywater gehört das Bywater Historic District. Historisch gesehen war Bywater eines der "Creole Faubourgs" (kreolischen Vorstädte), wo Free People of Color, kreolische Arbeiterfamilien, Einwanderer aus Santo Domingo (Haiti) und Europa, vor allem Irland und Deutschland, lebten. Mehr Fakten und Fotos hier. Seit mehreren Jahren wird hier kräftig gentrifiziert, und genau das nimmt das Satirevideo auf die Schippe (hier; oben die Parodie, unten das Original).
In Bywater lebt auch die feministische und offen bisexuelle Singer/Songwriterin Ani DiFranco mit Familie, die ursprünglich aus Buffalo, New York, stammt. Dass einem auch nach mehreren Jahren vor Ort noch gewisse lokale Sensibilitäten abgehen können, musste sie feststellen, als sie Ende letzten Jahres ein "Righteous Retreat" auf der Nottoway Plantation in White Castle am Mississippi veranstalten wollte (wo ich fast täglich auf dem Weg von Donaldsonville nach Baton Rouge vorbeigefahren bin), also eine Art "rechtschaffenen" Workshop mit ihr, 1000 Dollar pro Person für vier Tage. (Ein Wort wie "righteous" haben wir nicht, aber es bedeutet in etwa Gerechtigkeit fordernd oder suchend).
Dabei war nicht der Preis das Problem, sondern der Veranstaltungsort. Es ist tatsächlich ein besonders beeindruckendes Herrenhaus (daher der Name White Castle) direkt am Ufer des Mississippi. Auf der Nottoway-Plantage lebten und schufteten aber natürlich früher auch hunderte Sklaven, auch wenn das heute eher am Rande erwähnt oder romantisiert wird. Das Plantagenhaus ist jetzt zu besichtigen, und man kann auf dem Gelände auch luxuriös nächtigen, heiraten und Konferenzen abhalten (hier). "Typisch weiße Feministin"und "offenkundigen Rassismus" warf man Ani DiFranco vor, die sich zunächst noch damit verteidigte, dass der besondere Ort sicher auch thematisiert und in die Arbeit eingeflossen wäre. Zum Glück hat sie es dann doch abgesagt. Hier. Auf ihrem neuesten (am 14. Oktober erscheinenden) Album Allergic to Water haben übrigens Ivan Neville und andere New Orleanser Größen mitgespielt (hier).

Mittwoch, 24. September 2014

NCIS New Orleans

NCIS ist kurz für Navy CIS oder besser gesagt Naval Criminal Investigative Service, eine Bundesbehörde, die Verbrechen im Zusammenhang mit Angehörigen der US Navy oder des Marine Corps untersucht. Die Fernsehserie gleichen Namens läuft seit 2003 auf CBS; 2009 kam ein Ableger in Los Angeles hinzu. Beide laufen auch auf Sat 1.
Auf meinem Radar ist es erst kürzlich angekommen, denn ein neuer Ableger spielt in New Orleans. Die letzten beiden Folgen des regulären NCIS waren sozusagen der Pilot, den Sat 1 am 14. September 2014 zeigte.
Manches daran erinnerte mich ein bisschen an Treme: Es beginnt in einer Bar mit Live-Band, und gleich in der ersten Folge ist eine Jazz-Beerdigung mit Second Line zu sehen. Aber dann spielte es zum Teil  in Washington, DC, zum Teil in New Orleans. Es gab das typische Kompetenzgerangel mit dem FBI und für meinen Geschmack zu viele Tote, aber so ist das eben bei den meisten Krimiserien. Vor allem aber ging es darum, das neue New Orleans-Team vorzustellen, allen voran den Chef gespielt von Scott Bakula.
In den USA ist die neue Serie am 23. September angelaufen; Sat 1 verspricht, sie ab Frühjahr 2015 zu zeigen. Letzte Woche (am 17. September) fand im National World War II-Museum in New Orleans die Premierenparty statt. Auf nola.com sind ganz unten rechts unter "Video of the Day" ein paar Kurzinterviews dazu zu sehen, bei denen von einer "multi million dollar franchise" die Rede ist, aber auch von einem "international love letter to New Orleans", der mehr Touristen in die Stadt locken soll. Diese sollten sich allerdings vor echten Verbrechern in Acht nehmen, sage ich angesichts der Meldungen links neben diesem Video.
Hier hat offenbar schon jemand die erste neue Folge im Original gesehen.

Dienstag, 16. September 2014

The New Orleans Sound


Musik aus New Orleans ist nicht nur Dixielandjazz. Jazz, Hiphop (Bounce), R & B und Funk in New Orleans ist meistens schwarz und immer lauter, heftiger, dreckiger, ja vielleicht ursprünglicher als anderswo.
Letzte Woche ist der Schöpfer des „New Orleans Sound“, Cosimo Matassa, im Alter von 88 Jahren gestorben. Noch nie von ihm gehört? Tja, er war eben „nur“ der Toningenieur, mit dem sie alle zusammengearbeitet und sich gern haben fotografieren lassen: Fats Domino, Allen Toussaint, Dave Bartholomew, Professor Longhair, Irma Thomas und Dr. John. 
Dr. John beschreibt den typischen Cosimo-Sound, der zum New Orleans Sound des R&B und Rock ‚n’ Roll wurde, so: „strong drums, heavy bass, light piano, heavy guitar and light horn sound with a strong vocal lead.“
Cosimo Matassa wurde in New Orleans geboren und war sizilianischer Abstammung (und gehört damit zur wichtigen Gruppe der Italians in New Orleans, denen auch das Muffuletta-Sandwich zu verdanken ist). Seiner Familie gehört der kleine Lebensmittelladen im French Quarter Ecke Dauphine und St. Philip Street, Matassa’s Market, in dem es irgendwie alles gibt, was man gerade so braucht, auch Wein, wenn man zum Beispiel ins Mona Lisa in der Royal Street essen gehen will, wo man sich zu der tollen Pasta und Pizza seinen Wein selbst mitbringt, weil es jedenfalls früher BYOB (Bring Your Own Beverage) war, d.h. ohne Alkoholausschank. 
Die Matassas hatten aber noch ein anderes Geschäft: Musikboxen, und als Cosimo merkte, das sein Chemiestudium an der Tulane University doch nicht das Richtige für ihn war, fing er an, dort zu arbeiten. Bald fiel ihm auf, dass die Leute auch Platten kaufen wollten, und 1945 richtete er im Hinterzimmer ein kleines Aufnahmestudio ein, wo man zunächst vor allem privat Schallplatten aufnehmen konnte. Dann erweiterte er und zog mehrmals um, schließlich in die 748 Camp Street, wo er den Laden Jazz City nannte. Lange war seines das einzige Musikstudio in der Stadt und die besten Musiker gingen bei ihm ein und aus.
Matassa wurde in die Louisana Music Hall of Fame aufgenommen und 2012 in die Rock ‚n’ Roll Hall of Fame für „Musical Excellence“. Cosimo Matassa meinte dazu, er habe einfach Glück gehabt, dass so viele gute Leute zu ihm kamen: „It’s not hard to make a good performer look good.“ (Es ist nicht schwer, einen guten Künstler gut aussehen zu lassen.“
Mehr dazu hier.