Sonntag, 28. Dezember 2014

Louisianas Untergang?


Als Kind habe ich mich immer gewundert, dass Amerika im Wilden Westen liegen sollte – auf meinem Globus lag es ganz weit im Osten, noch hinter der Sowjetunion. Auch das mit der Stiefelform Italiens leuchtete mir lange nicht ein, aber als ich jetzt gelesen habe, dass Louisiana wie ein Stiefel aussehen soll, war mir das gleich ganz klar – eher ein Eskimostiefel als einer von Prada.
Allerdings sieht es jetzt gar nicht mehr so aus. Laut einem Bericht im Business Insider hat der Bundesstaat zwischen 1932 bis 2000 eine Fläche von knapp 5000 Quadratkilometern verloren, fast die gesamte Fläche des Staates Delaware. Jede Stunde versinkt eine Fläche in Größe eines Football-Felds im Wasser, etwa ein halber Hektar, also etwas weniger als ein Fußballplatz, wie ich hier vielleicht irrtümlicherweise mal angegeben habe. Damit erodiert die Küste Louisianas schneller als alle anderen Küsten des Planeten, so der Journalist Bob Marshall.
Die Tat- und Ursachen sind bekannt: die industrielle Nutzung und Begradigung des Mississippi, die Zerstörung der Süßwassermarschen durch Ölexplorationsfahrten, die Ölindustrie generell, das Wetter und der Klimawandel. Getan wird fast nichts.
Das bedeutet: Der Stiefel hat schon lange seine Sohle verloren und ist unten völlig ausgefranst und dort, wo das Vorderteil mit dem Schaft verbunden ist, klafft ein immer breiter werdender Riss (u.a. das Atchafalaya Basin). So würde eine aktuelle, genauere Karte Louisianas aussehen, auf der die nicht betretbaren Flächen als solche verzeichnet sind, aber offiziell gibt es diese Karte nicht, denn dann hätte das eine politische Dimension. Also sinkt Südlouisiana weiter.
Spätestens Hurrikan Katrina und die BP-Ölpest ließen auch die Künstlerin Dawn DeDeaux aus New Orleans an den Untergang denken. Stephen Hawkings Ausspruch, dass wir nur noch 100 Jahre hätten, nicht um die Erde zu retten, sondern um sie verlassen, ist das Motto ihrer Installation MotherShip, die sie für die aktuell laufende Biennale Prospect New Orleans P3+ schuf. Kurioserweise musste eine Veranstaltung am 19. Dezember wegen Dauerregens verlegt werden. Interessant ist auch der Art Shack der Künstlerin, ein Shotgun-Haus, bei dem die Spuren von Katrina bewusst sichtbar sind (Wände, die nur noch aus Holzstreben bestehen, verbranntes Holz usw.). Hier.
Auch politische Geschehnisse könnten Untergangsstimmung heraufbeschwören. Nach drei Legislaturperioden wurde Mary Landrieu, die Tochter des früheren und Schwester des jetzigen Bürgermeisters von New Orleans, als demokratische Senatorin nicht wiedergewählt. Ihren Platz nimmt jetzt einer von diesen grauhaarigen, geschniegelten Republikanern mit viereckigem Kopf und vielen Kindern ein, der natürlich von der National Rifle Association, der Waffenlobby, unterstützt wird. In diesem Fall heißt er Bill Cassidy und stammt ursprünglich aus einem Vorort von Chicago. Auch um Mary Landrieu hatte es übrigens Kontroversen gegeben, aber sie war eben doch einer der demokratischen Pfeiler aus einem bis in die siebziger Jahre durchgehend von demokratischen Gouverneuren (danach immer wieder wechselnd) regierten Bundesstaat.
Auch nicht schön: Der republikanische und sehr konservative derzeitige Gouverneur Bobby (Piyush) Jindal ruft im Januar 2015 zu einem Gebetsmeeting mit Unterstützung der American Family Foundation auf, das ausgerechnet auf dem Campus der Louisiana State University, der Flagship University des Bundesstaates, stattfinden soll (hier). Erwähnt sei auch, dass sich der Gouverneur bis zuletzt gegen die Gesundheitsreform gesperrt hat und sich für die Lehre des Kreationismus an den Schulen einsetzt, mit der NRA auf du und du steht, gegen Abtreibung und gegen die Homo-Ehe ist usw. Er wird als einer der möglichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten gehandelt.
Aber vermutlich wird Louisiana auch das irgendwie überleben.