Dienstag, 30. Juli 2013

Gescheitert: Ich und Interview mit einem Vampir


Okay, Leute, ich hab’s wirklich versucht. Ungefähr eine halbe Stunde lang habe ich durchgehalten, länger ging’s nicht. Interview mit einem Vampir (von 1994) nach dem Bestseller von Anne Rice spielt zum Teil in New Orleans, denn da leben die Vampire auf den Friedhöfen. Tom Cruise ist der Obervampir (Lestat), der Brad Pitt zum Vampir beißt, indem sie dann beide beißend/gebissen werdend durch die Luft fliegen! (Da tat mir Brad Pitt ein bisschen Leid.) Beiden hatte man einen super-porzellanigen Teint gemalt, mit durchscheinenden Adern, und ihre Augen sahen so seltsam glasig aus (gelbe Haftschalen, soll sich Brad Pitt später beklagt haben). Die Eckzähne waren spitz und der Mund innen drin blutig. Es tropft und spritzt sehr viel Blut.
Der Film spielt, jedenfalls die erste halbe Stunde lang, hauptsächlich im Dunkeln. Sie sitzen auf dem St. Louis Cemetary herum oder auf Brad Pitts Anwesen, das eigentlich die Oak Alley Plantation ist. Dieser Teil der Handlung spielt im 18. Jahrhundert, deshalb auch hübsche Kostüme und lange Haare und gelegentlich Französisch. Auch unter seinen Sklaven sterben rätselhafterweise immer mehr Menschen (Tom Cruise war's!), obwohl Brad Pitt sich zuerst aus Menschenliebe? Scham? Pietät? nur an Ratten und Pudel hält. Dabei sieht seine mulattische Bedienstete eigentlich auch ganz appetitlich... Die Sklaven halten natürlich Voodoo-Zeremonien ab, opfern dabei Hähne usw., um den Tod zu bannen.
In der Rahmenhandlung wird Brad Pitt von Christian Slater in San Francisco interviewt, der eigentlich wie immer großartig sich selbst spielt. Später macht Brad aus der damals noch kleinen Kirsten Dunst einen Vampir, und es geht nach London usw., aber das habe ich nur im Internet gelesen. Was Antonio Banderas genau dort macht, weiß ich leider nicht.
In der Times-Picayune heißt es, dass der Film für heute zu überkandidelt ist und nicht funktioniert. Brad Pitt redet auch nicht gut darüber, aber er hat sich während der Dreharbeiten, wo er tagsüber immer mit dem Fahrrad herumgekurvt ist, in New Orleans verliebt und wohin das geführt hat, wissen wir ja. (Vom Fahrrad zum Privatjet, den er Angelina dieser Tage geschenkt hat.) Der Film wurde in New Orleans gedreht, bevor es noch mehr in wurde und bevor der Bundesstaat mit jeder Menge Filmförderung gelockt hat, und der Film wurde gedreht, bevor Vampire in waren. Aber irgendwie reicht das eben nicht.

Mittwoch, 17. Juli 2013

Rerun: Riding a Bike


Monday, 16 January 2012
Riding a bike

The League of American Bicyclists has brought out a new map of the USA, which lists the ten most important bicycle cities in the US. The criterion for this is not leisure-time cycling but the number of “bicycle commuters” each place has. These are the people who really use their bicycles as serious means of transport, for instance travelling to and from work. The places leading the list are Portland, Minneapolis and Seattle, but number six—and this is something of a surprise—is New Orleans, coming ahead of Washington D.C., Philadelphia and Boston.
I had heard of friends there who ride bicycles, and it certainly makes sense: the terrain is wonderfully flat and the traffic unhurried. So when I am in New Orleans I ride my bike as well. But most of the other cyclists, I note, are not en route to anywhere in particular but, in an almost anarchistic way, are just cycling around the area. So I am both surprised and pleased by that, because New Orleans is known above all for its respected culture and traditions, and rather less for the modernity and creativity that it also has, cycling being for me a part of this.
The daily New Orleans Times Picayune has now again run a little photo competition under the motto “NOLA from your bike,” open until 31st January 2012. And for this there is also a photo gallery here, one of the items included being a photo of the park bearing the name “the Fly.”
But today, also in New Orleans, there will not actually be too many casual cyclists riding around because it is Martin Luther King Day, one of the few national holidays, when federal, state and other public institutions, schools, universities and so on are closed.

Translated by John Manning

Montag, 15. Juli 2013

Fotos vom San Fermin-Stierlauf in New Orleans

Heute in der Times-Picayune: Tolle Fotos vom Running of the Bulls vom Wochenende. Garantiert ohne tote Stiere und aufgeschlitzte Menschen... Siehe hier.
Mehr über den Encierro vom letzten Jahr hier.

Sonntag, 14. Juli 2013

Nachtrag


Langston Hughes’ Simpel spricht sich aus habe ich in der Übersetzung von Günther Klotz jetzt noch einmal gelesen und finde es auf die Dauer schon anstrengend, so eine verschliffene Sprache zu lesen, bei der Umgangssprache durch falsche Grammatik wiedergegeben wird wie sie auch im Dialekt niemand verwendet. Auch der Duktus der Figur Simpel ist nicht durchweg liebenswert.
Auffallend ist die enorme Sachkenntnis des Übersetzers, die sich auch im Glossar zeigt. Zum Beispiel erklärt er die Formel „taxation without representation“ (Besteuerung ohne parlamentarische Vertretung ist Tyrannei) als eine Losung im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, da eben Kolonien zwar besteuert wurden, aber nicht politisch vertreten waren. Diese Losung wird übrigens heute auch von Bewohnern des District of Columbia (d.h. der Hauptstadt Washington) gepflegt, denn auch sie sind nicht im Kongress vertreten, müssen aber Steuern zahlen. Aber da sie nicht politisch vertreten sind, fehlt wohl der politische Wille, ihre parlamentarische Vertretung durchzusetzen. In dem Buch bezog sich der Satz auf die damalige Situation der Afroamerikaner.
Auch sehr schön gelöst ist das Wortspiel mit „Bar“, pass the bar heißt ja die Anwaltsprüfung bestehen, aber bar heißt eben auch Bar. Mir hat man vor langer Zeit mal einen Anstecker geschenkt: I passed the bar and stayed there – Ich bin an der Bar vorbeikommen und gleich geblieben. 
Hier der Dialog aus dem Buch:
„...du solltest Redner werden.“
„Hm, ich hab Angst vor den Publikum. Mein Platz ist bei der Bar.“
„Bei der Gerichts-Bar-keit als redefleißiger Anwalt?“
„Bein Gericht haben se keine richtige Bar.“
Auch interessant fand ich die Lösung für das Wort bitch, das eigentlich Hündin heißt, aber auch als Schimpfwort für (unangenehme) Frauen verwendet wird. „Petze“ heißt es bei Günther Klotz und im Duden fand ich „Petze“ in der Bedeutung als Hündin in bestimmten Landstrichen (allerdings nicht in meinem). Auch so ein Dauerbrenner der Übersetzungsschwierigkeiten.
Vor allem das Nachwort, das gar nicht so vordergründig sozialistisch ist, sondern gut auf die Situation der Afroamerikaner und die Entstehung des Buches eingeht, datiert aber das Buch. Es ist von 1960, also noch vor dem Mauerbau, und dort werden Wörter wie „Negerzeitung“, „Negerkirche“ usw. wertneutral verwendet. Das geht natürlich heute nicht, aber für die Verwendung des Wortes in historischen Texten selbst ist die Diskussion angestoßen und nicht beendet, sowohl in den USA wie auch hier.
Auf ironische, aber treffende Weise thematisiert Simpel die ungerechte Behandlung der Schwarzen, und in diesen Tagen zeigt sich besonders deutlich, wie weit das Land noch von wahrer Emanzipation entfernt ist. Der Neighborhood-Watch-Eiferer George Zimmerman ist heute freigesprochen worden, obwohl er den jungen Trayvon Martin ohne Not getötet hat. Viele Facebook-Kommentare weisen darauf hin, dass es sicher anders ausgegangen wäre, wenn George Zimmerman schwarz und Trayvon Martin weiß gewesen wäre. Auf der Titelseite von http://www.washingtonpost.com/ ist ein junger Schwarzer namens Will Reese zu sehen, der in Harlem mit einem Schild an der Straße steht. Darauf heißt es: Honk! Justice for Trayvon Martin! (Hupen! Gerechtigkeit für Trayvon Martin!) 
Noch ein Wort zu Robert Hemenway (*1941), dem Wiederentdecker von Zora Neale Hurston. Neben ihrer Biographie, einem Klassiker, schrieb er noch andere Bücher und Artikel zu afroamerikanischer Literatur und unterrichtete weiter als Professor für Englisch. 16 Jahre lang war er auch der sehr erfolgreiche Kanzler der University of Kentucky in Lexington, Kentucky und dann von 1995 bis 2009 Kanzler der University of Kansas mit mehreren Campussen.
Heute ist übrigens Bastille Day... Vive la République!

Samstag, 6. Juli 2013

Zora Neale Hurston: Their Eyes Were Watching God


Es war einmal ein junger weißer Englischprofessor aus Nebraska namens Robert Hemenway, der las so gegen Ende der sechziger Jahre Their Eyes Were Watching God und war hingerissen. Also wollte er mehr über die afroamerikanische Autorin Zora Neale Hurston (1891-1960) in Erfahrung bringen. Doch er merkte schnell, dass sie nicht nur nahezu vergessen war, sondern dass auch viele widersprüchliche Informationen über ihr Leben kursierten. So packte er seine Sachen, kaufte sich einen Pickup-Camper (einen Pickup-Truck mit Schlafaufsatz) und reiste kreuz und quer durch die östliche Hälfte der USA auf den Spuren seiner Autorin. 1977 erschien dann seine wegweisende Biografie über sie, die eine ganze Welle der Wiederentdeckung auslöste.
(Mich erinnert diese Geschichte ein klein wenig an den großartigen Film Sugarman, den ich vor ein paar Wochen gesehen habe, nur dass es dort um einen mexikanischstämmigen Musiker aus Detroit ging, der sogar noch lebte, und durch seine Wiederentdeckung und dann noch mal durch den Film einen späten Ruhm und Anerkennung erleben durfte. Zora Neale Hurston war eine schwarze Frau, noch dazu aus dem Süden, interessierte sich für die einfachen Menschen und ihre Sprache und Bräuche. Sie starb verarmt und unbekannt.)
Zunächst einmal begannen die African American Studies-Leute, sich für sie zu interessieren, allen voran die noch heute sehr aktive Koryphäe, der Harvardprofessor Henry Louis Gates. Dann machte sich die Schriftstellerin Alice Walker auf die Suche, die sich aus womanistischer Sicht für sie interessierte. In ihrem Essayband In Search of Our Mother’s Gardens von 1973 berichtet Walker über ihre fast erfolglose Suche nach dem verwilderten Grab von Zora Neale Hurston in Florida. (Darin erwähnt sie auch, wie sie bei ihrem Anflug auf Orlando vom Fenster aus Sanford, Florida sah. Das ist der Ort, in dem vor einem Jahr der Jugendliche Trayvon Martin erschossen wurde und wo jetzt der viel beachtete und kontroverse Prozess gegen George Zimmerman läuft, der seinen Tod auf dem Gewissen hat.) Dieser Essay ist übrigens in der deutschen Ausgabe Auf der Suche nach den Gärten unserer Mütter (Übersetzt von Gertraude Krueger, Frauenbuchverlag 1987) nicht enthalten, dafür in einen zweitem Band, Die Erfahrung des Südens. Good Morning Revolution (Übersetzt von Thomas Lindquist und Helga Pfetsch, Frauenbuchverlag 1988 bzw. Goldmann), in dem es zwei Essays zu der Autorin gibt. Es sind "Zora Neale Hurston: Eine Geschichte mit Moral und eine parteiische Ansicht" und "Auf der Suche nach Zora".
Seitdem also steht Zora Neale Hurston bei den African American Studies, bei den Frauen und bei den American Literature-Leuten auf der Leseliste. Zu Recht. Doch in den offiziellen Kanon der amerikanischen Literatur hat sie es noch nicht geschafft, so scheint es mir: zu schwarz, zu eigenwillig, zu südlich.
Zora Neale Hurston war ja nicht nur Autorin der Harlem Renaissance und Schriftstellerin, sondern auch Ethnologin, und so reiste sie durch die Gegend und sammelte Geschichten und Sprache „ihrer“ Leute. Sie tat das mit einer Selbstverständlichkeit, wie sie auch heute noch nicht unbedingt selbstverständlich ist. Möglicherweise hat das damit zu tun, dass sie in Eatonville, Florida, aufwuchs, einer der wenigen ausdrücklich afroamerikanischen Gründungen, wo ihr Vater lange Zeit Bürgermeister war und wo man sich lange Zeit nur unter Schwarzen bewegte und mit Weißen gar nicht groß abgeben musste. Heute gibt es in Eatonville ein Zora Neale Hurston National Museum of Fine Arts.
Hurston studierte an der renommierten schwarzen Howard University in Washington, D.C., dann bei Columbia in New York. Sie lebte in New York, forschte zum Hoodoo in New Orleans, reiste durch die Karibik und veröffentlichte Kurzgeschichten, Romane und ethnologische Studien und Sammlungen. In Their Eyes Were Watching God (1937) lässt sie ihre afroamerikanischen Figuren in der örtlichen Mundart sprechen. Ihre (männlichen) Kollegen nahmen ihr das übel, hielten es vermutlich für eine Art Verrat an den Schwarzen, allen voran Richard Wright, Autor des Protestromans Native Son (1941), der darin Rassismus, Unterdrückung und Lynchjustiz thematisiert und wo die Gewalt und Stigmatisierung, wie auch in If He Hollers Let Him Go (1946) von Chester Himes, stark sexualisiert ist. Richard Wright also warf dem Roman vor, die Schwarzen wie in einer Minstrel Show lächerlich zu machen. Ein vernichtendes Urteil.
Doch in Their Eyes Were Watching God geht es nicht so sehr um Rassismus, denn Weiße tauchen gar nicht auf, höchstens ein wenig darum, dass unter den Afroamerikanern die Hellhäutigen oft als schöner gelten und andererseits auch dafür verspottet werden. Und es geht auch nicht um Sex, sondern um Liebe. Es geht um die Hauptfigur Janie, die sich nach einer akzeptierenden, ebenbürtigen Liebe sehnt und sie, ohne selbst aktiv zu werden, nach allerlei Hindernissen auch findet, in dem um einiges jüngeren Tea Cake. Mit ihm kann sie das Leben in vollen Zügen genießen, lernt über Eifersucht und Treue, über Sein und Seinlassen. Zerstört wird diese Liebe durch einen verheerenden Hurrikan, den sie am Okeechobee-See in Florida erleben, wo Tea Cake sie in den Fluten vor einem tollwütigen Hund rettet und selbst von ihm gebissen wird. Um ihr Leben zu retten, muss Janie ihre große Liebe erschießen. (Die Darstellung von Hurrikanen in der Literatur ist auch noch mal ein Kapitel für sich, siehe Jesmyn Wards Salvage the Bones.)
In der Rahmenhandlung kehrt Janie danach in ihren Heimatort Eatonville zurück, wo die Nachbarn reden und sich das Maul zerreißen. Denn einfach eine schwarze Frau zu sein, die wirkliche Liebe sucht und lebt, die sich mit nicht weniger zufrieden geben will und die sich so anzieht, wie sie möchte, das passt bis heute nicht so recht in das allgemein vorgesehene Rollenmuster für schwarze Frauen. Und so ist Zora Neale Hurstons Liebesroman auch schon revolutionär.
Dialekt, Umgangssprache, Mundart in der Literatur ist immer ungewöhnlich und problematisch. Aber im Deutschen noch viel mehr, wo solche Sprache nach wie vor stark regional markiert ist und deshalb leicht lächerlich oder ironisch oder verniedlichend klingen kann. Was macht man also damit in der Übersetzung? Eines der ersten Beispiele, an das ich mich erinnern konnte, war Simple Speaks His Mind von Hurstons Harlem-Renaissance-Kollegen Langston Hughes aus den vierziger Jahren. Darin ist die Gossensprache auch wieder Stilmittel, denn sie charakterisiert einerseits die Hauptfigur als einfach gestrickt, aber doch mit Weisheit und Kritikvermögen gerüstet, so dass er soziale Missstände scheinbar unbedarft karikiert und in Frage stellt. 1960 erschien das Buch zum ersten Mal in der deutschen Übersetzung von Günther Klotz als Simpel spricht sich aus im Aufbauverlag in der DDR. Günther Klotz ist mir sonst weiter kein Begriff, aber in seinem Nachwort thematisiert er auch die Übersetzung: „Mehr als bei anderen Büchern muß die Übersetzung Ersatz sein, denn sie kann mit der leichten Verschleifung der Hochsprache die eigentümliche Qualität des Originals nur andeuten.“ Das klingt bescheiden, aber in meiner Erinnerung tat er das ganz geschickt und lesbar; die Neuübersetzung von Evelyn Steinthaler im Milena-Verlag scheint neutraler zu sein.
Their Eyes Were Watching God wurde zunächst 1993 von Barbara Henninges für den Ammann-Verlag übersetzt, als Und ihre Augen schauten Gott. Wie alle Erstübersetzungen ist auch diese verdienstvoll, denn sie erschließt diesen schwierigen und eigentümlichen Text furchtlos und korrekt fürs Deutsche, ergänzt ihn durch ein informatives Glossar. Immer wieder bewundere ich wie Übersetzer das früher ohne Internet gemacht haben (besonders auch in der DDR ohne Reisemöglichkeiten), denn so gebildet, belesen und weit gereist man auch sein mag, jeder Text stellt einen doch immer wieder vor neue Schwierigkeiten. Die Mundart bringt die Übersetzerin als Dialekt in unsere Sprache, für mich liest sie sich nach Ruhrpott, andere sehen sie als rheinischen Kunstdialekt. Es mag dafür Rechtfertigungen geben -- auch eine Redeweise armer Leute, regional geprägt usw. -- doch irgendwie macht man so etwas heute nicht mehr und für mich funktioniert es einfach nicht.
Für die Edition Fünf, die persönliche Lieblingsbücher von Frauen nicht nur für Frauen verlegt, hat sich ein Mann der Neuübersetzung angenommen, Hans-Ulrich Möhring, und noch dazu bekennt er, dass dieses Buch, Vor ihren Augen sahen sie Gott, ein Traumprojekt war und damit eines seiner am Horizont fahrenden Schiffe in den Hafen eingelaufen ist. Beides ist ungewöhnlich. Auch er berichtet in einem Nachwort über das Buch und die Autorin und über sein Verfahren. Die Verlegerin Silke Weniger hat mir das so zusammengefasst (und mich damit neugierig gemacht): Er übersetzt, indem er einzelne Sätze im Original stehen lässt. Er selbst beschreibt den Blues als sein leitendes Prinzip. Das liest sich dann zum Beispiel so: „Ah was skeered. Ich hatte Schiss.“ (Bei Barbara Henninges steht: Ich hatte Anx.) oder „Dann musst du ihnen sagen, dass die Liebe nicht so was ist wie ein Schleifstein, der überall gleich ist und mit allem das Gleiche macht, wo er mit in Berührung kommt. Love is lak de sea. Wie das Meer ist die Liebe, immer in Bewegung, aber seine Form kriegt es erst von der Küste, an die es trifft, und die ist von Küste zu Küste anders.“ Für mich entsteht durch diese Doppelung eine interessante Intensität. Es ist, als ob sich die Figuren selbst dolmetschen, selbst erklären und noch kompetenter über sich selbst sprechen.
Überhaupt die Liebe. In meiner kleinen Bücher-Kolumne habe ich sie als grundlegende Übersetzungsmethode für diesen Text ausgemacht, denn das Deutsche stattet die Figuren mit einem besonderen, warmen Witz aus, zeichnet sie mit viel Liebe. Auch in Möhrings eigenem Roman, Vom Schweigen meines Übersetzers (Fahrenheit-Verlag 2008), geht es nicht nur um einen amerikanischen Schriftsteller, der in Deutschland seinem Übersetzer und seiner eigenen Familiengeschichte begegnet, sondern auch um das Übersetzen und Schreiben und die Liebe: „Liebe“, sagt er. „Wirst du deswegen Übersetzer? Vielleicht. Du hast eine Zeitlang im Ausland gelebt, die Lebensweise gefällt dir, die andere Art der Menschen, die Landschaft, das Klima, die Sitten und Gebräuche – die Sprache. Oder du liebst die Literatur eines Landes, einer Epoche, eines Milieus, wünschst dir einen weiteren Horizont – oder wenigstens eine andere Enge als die gewohnte. Wie kannst du, in der Form eines Berufs, deiner Liebe nahe blieben? Andere mag motivieren was will, aber du, Liebestäterin die du bist, kannst du die Liebe bewahren? Wenn du merkst, dass du mit deiner Arbeit keine Karriere machen kannst, kaum die Butter aufs Brot verdienst. Du sagst dir die Wichtigkeit deiner Arbeit vor: du bist Kulturvermittler, Völkerverbinder, was weiß ich. Du engagierst dich in deinem Berufsverband. Vielleicht gewinnst du ein bescheidenes Ansehen. Vielleicht nicht. Aber du musst den Alltag ertragen. Alle müssen das.“
Das klingt ziemlich ernüchternd, aber das Traumprojekt kam erst nach diesem Roman. In der Zeitschrift Übersetzen 01/13 haben übrigens Lektorin Karen Nölle und der Übersetzer über ihre enge Zusammenarbeit berichtet. Und für mich ist es auch diese besondere Konstellation, die Liebe zwischen Lektorat und Übersetzung, die Vor ihren Augen sahen sie Gott auch auf Deutsch so liebens- äh lesenwert macht.
Übrigens: Der Traum ist die Wahrheit, eine lange Nacht über Zora Neale Hurston von Daniela Kletzke und Hans-Ulrich Möhring demnächst im Radio, Deutschlandradio Kultur am 20.7.2013 von 0:05 Uhr bis 3:00 Uhr und Deutschlandfunk am 20.7. um 23:05 Uhr bis 21.7.2013 um 2:00 Uhr.