Dienstag, 29. Oktober 2019

New Orleans: ein Fragebogen mit Maurice Carlos Ruffin

Maurice Carlos Ruffin schreibt Kurzgeschichten und Essays. 2019 erschien sein erster, viel gelobter Roman We Cast A Shadow. Bis Frühjahr 2019 arbeitete er auch als Anwalt.
Hier seine Antworten:

New Orleans ist... schön, schwierig, seltsam.

Mein Lieblingsplatz in New Orleans: An der Straßenbahn auf der St. Charles Avenue. Ich jogge  gern dort. Ich schaue mir die Leute an und mag es, die feuchte Luft auf der Haut zu spüren.*

Mein Lieblingsgebäude in New Orleans: Der First Bank and Trust Tower ist eine Stilmischung. Ein bisschen Art Deco, ein bisschen Bauhaus.**

Mein Lieblingsessen aus New Orleans: Gumbo. Es schmeckt und verbindet mich mit meinen Vorfahren.***

Mein Lieblingsmusiker aus New Orleans: Kermit Ruffins (keine Verbindung).

Mein Lieblingstext über New Orleans: Sarah Brooms The Yellow House ist über den Stadtteil, in dem ich aufgewachsen bin. Niemand sonst hat so leidenschaftlich und prägnant darüber geschrieben.****

Mein Lieblingsfilm über New Orleans: Girls Trip. Die Frauen sind witzig!

Mein Lieblingswort oder -ausdruck aus New Orleans: ya heard.

Treffendster Spitzname für New Orleans: The Big Easy.

Liebste, hier nicht genannte Sache aus New Orleans: Wir haben im Sommer die besten Snowballs.*****

Wer sollte Bürgermeister von New Orleans sein? Präsident Obama. Es würde ihm hier gefallen.

Wie kann die Mordrate in der Stadt gesenkt werden? Schluss mit der Masseninhaftierung, bessere Bildung und Zugang zu finanziellen Ressourcen.

Was ich an New Orleans am wenigsten mag: Wir brauchen lange, bis sich was ändert.

Was die meisten nicht über New Orleans wissen: Es ist weltberühmt, aber eigentlich ist es ziemlich klein. 

Warum ich in New Orleans lebe: Ich bin von hier. Ich liebe meine Stadt.

Meine New-Orleans-Expertise: Ich bin hier geboren.

*Die St. Charles Avenue ist vielleicht die schönste Straße in New Orleans und führt von Downtown über das Central Business District (CBD), das Garden District, bis zur Carollton Street. Sie soll 7 Meilen lang sein (11 Kilometer). Auf dem Mittelstreifen (neutral) fährt die Straßenbahn mit einem historischen Wagen. In Uptown laufen dort viele Jogger.
** Im CBD, 909 Poydras Street. Das Gebäude wurde 1987 fertiggestellt, ist 481 Meter hoch und hat 36 Stockwerke.
*** Meine Erklärung von 2011: Gumbo (sprich Gambo): Manche nennen es Cajun Bouillabaisse. Eine dicke Suppe mit frischem Gemüse und Meeresfrüchten, meistens mit Okraschoten und meistens auf der Basis von roux. Sehr würzig, mit Tabasco-Sauce und Kräutern. Außerdem filé, zermahlene Sassafras-Blätter. Das Wort Gumbo soll von dem afrikanischen Wort für Okra stammen.
**** Sarah Brooms Memoir ist im August erschienen und für den National Book Award in Non-Fiction nominiert.
***** Geschabtes Eis mit Fruchtsirup. Sehr erfrischend.

New Orleans Questionnaire: Maurice Carlos Ruffin

Maurice Carlos Ruffin is author of a novel, We Cast A Shadow, that came out in 2019. He writes short stories and essays and worked as a lawyer until this year.

New Orleans is... beautiful, challenging, strange.

Favorite place in New Orleans: The St. Charles Avenue Streetcar line. I love to jog it. It's great for people watching and feeling the humid air on my skin.

Favorite building: The First Bank and Trust Tower is a mixture of styles. It's a litte art deco, a little Bauhaus.* 

Favorite New Orleans food: Gumbo. It's delicious and connects me to my ancestors.

Favorite New Orleans musician/s: Kermit Ruffins (no relation).

Favorite piece of writing on New Orleans: Sarah Broom's The Yellow House is about the neighborhood where I grew up. No one has written about it with such a passionate, keen eye.

Favorite New Orleans movie: Girls Trip. Those ladies are so funny.

Favorite New Orleans word or expression: ya heard.

Most apt New Orleans nickname: The Big Easy. 

Favorite New Orleans thing not mentioned here: We have the best snowballs in summer.

Who should be mayor of New Orleans? President Obama. He'd like it here.

How can the city lower its murder rate? Stop with the mass incarcerations, improve education, and grant access to financial resources.

The thing I like least about New Orleans: We take a long time to change.

What people don't know about New Orleans is: It is world famous, but it is really a small town.

Why I live in New Orleans: It's where I'm from. I love it.

My expertise on New Orleans: I'm a native.



* The First Bank and Trust Tower is located on 909 Poydras Street in the Central Business District (CBD). It is 36 stories and 481 feet high and was completed in 1987.

Mittwoch, 2. August 2017

Mary McCarthy: The Group

Vor drei Jahren ist ein sehr geschätzter Übersetzerkollege und Freund gestorben, Tom Morrison, ein kluger, feiner, zurückhaltender Mann, der zu all unseren Translation Labs, Lesungen und Salons kam, wohl dosiert Treffendes anmerkte, und das alles mit einem schottischen Akzent, der immer charmanter wurde, je mehr man ihn kennenlernte. Damals haben wir eine große Erinnerungsfeier für ihn organisiert und aus seinen Übersetzungen vorgelesen und ich aus einer E-Mail, in der er mir die schottischen Neujahrsbräuche seiner Kindheit erklärte. Tom fehlt, auch wenn unsere Arbeit, unsere Treffen, unsere Lesungen weitergehen. Aber ich habe etwas, das mich immer wieder an ihn erinnert: eine kleine Auswahl von Toms Büchern, die ich aus seiner Bibliothek geerbt habe.
Eines dieser Bücher ist The Group von Mary McCarthy, das vorletztes Jahr in der deutschen Fassung Die Clique bei Ebersbach & Simon neu aufgelegt wurde. Wer hier schon mehr gelesen hat, weiß, dass ich Fan von Lillian Hellman bin, der umstrittenen amerikanischen Dramatikerin und Essayistin, Lebensgefährtin von Hardboiled-Pionier Dashiell Hammett und vielleicht eine der meist gehassten Literatinnen der Welt, der regelmäßig unterstellt wird, dass eigentlich Hammett ihre Texte geschrieben habe, als er selbst nichts mehr fertigschreiben konnte (sogar Margaret Atwood haut in diese Kerbe).
Mary McCarthy war Lillian Hellmans Erzfeindin, die über sie schrieb: “Every word she writes is a lie, including ‘and’ and ‘the’“, was schon mal auf eine scharfe und witzige Zunge und Geist schließen lässt. Hellman hatte darauf mit „lady writer“ und Gerichtsprozessen pariert, bis zu ihrem Tod. „Lady writer“ war natürlich abwertend gemeint, und doch ist es von dort nicht weit zu „Our First Lady of Letters“, wie Norman Mailer Mary McCarthy nannte, und es ist bezeichnend vor allem auch für den Stoff ihres Schreibens. The Group ist nämlich ein großer Frauen-Roman, wenn auch kein Frauenroman.
The Group, das sind acht Absolventinnen des renommierten Vassar College aus dem Jahr 1933, die lose befreundet sind und sehr unterschiedliche Wege einschlagen. Und dann entfalten sich ihre sehr unterschiedlichen Charaktere mit ihren sehr unterschiedlichen Lebenswegen, die sich immer wieder kreuzen. Die Besonderheit: Sie sind alle Frauen, aus der Oberschicht, mit ihren ganz besonderen Frauensichten und Frauenproblemen. Was das für welche sein könnten? Sex, Verhütung, die Dynamik sexueller Beziehungen zwischen Mann und Frau (meine Entdeckung des letztes Jahres, Mary Gaitskill, hat darüber immer wieder geschrieben), Untreue, Politik und die Erotik politischer Überzeugungen, Mutterschaft, Stillen (vor allem, wenn man mit einem Kinderarzt verheiratet ist, der an einem ein Exempel statuieren will), als Frau in der Buchbranche Karriere machen wollen („Publishing’s a man’s business“, lautet die Antwort), Vergewaltigung, eine lesbische Beziehung, Ledigbleiben, eine akademische Karriere, Impotenz usw. Das sind Themen, die 1963, als das Buch erschien, womöglich stärker an die Oberfläche drangen, doch schon lange, vielleicht schon immer so existierten, und die auch heute noch, über fünfzig Jahre später, kaum Eingang in die große Literatur finden. Ein Grund, warum das Buch für mich eine Sensation ist.
Ein weiterer: Das hier ist große Literatur. Mary McCarthy schreibt präzise und bildhaft wie Francis Scott Fitzgerald (und nicht wie Zelda, die auch toll schreibt) und zieht den Leser schnell in einen fesselnden Sog aus Ereignissen, Wahrnehmungen, Schicksalen. Es ist kein warmes Buch, bei dem einem die Figuren ans Herz wachsen; es bleibt scharf beobachtend auf Distanz. „Scathing“ (Vernichtend) nannte es Tony aus dem Translation Lab. Und so habe ich hier bewusst „der Leser“ geschrieben, weil es ein Buch über Frauen ist, das Männer, vor allem solche, die sich für Frauen interessieren und sie lieben, lesen sollten, weil es nämlich das Leben von Frauen ernst nimmt, jenseits von „Traumprinzen“ und Schönheit und Babys.
Mary McCarthy selbst sagte über ihr Buch: „I am putting real plums into an imaginary cake“ (Ich tue echte Pflaumen in einen imaginären Kuchen) und „I'm afraid I'm not sufficiently inhibited about the things that other women are inhibited about for me. They feel that you've given away trade secrets.“ (Ich fürchte, ich bin nicht zurückhaltend genug, wo andere Frauen für mich mit zurückhaltend sind. Sie finden, ich habe Geschäftsgeheimnisse preisgegeben.)
Zur deutschen Ausgabe: Ebersbach & Simon hat Die Clique 2015 neu aufgelegt, in schöner Aufmachung und mit einem informativen Vorwort von Candace Bushnell, der Autorin von Sex and the City. Dicker Wermutstropfen: die deutsche Fassung ist die staubige Übersetzung von Ursula von Zedlitz von 1964. Trotzdem, so scheint es, strahlt das Buch dank seiner innewohnenden Kraft auch auf Deutsch, und das bleibt ihm zu wünschen.

Donnerstag, 25. Mai 2017

Denk-mal

In den letzten Wochen sind in New Orleans vier Konföderiertendenkmäler abgebaut worden, und das ist – natürlich – eine große Sache, ein Ding, das die Gemüter bewegt.
Die ersten drei wurden in Nacht-wenn-auch-ohne-Nebel-Aktionen abgebaut, das letzte vor ein paar Tagen bei vollem Tageslicht. Das erste war ein Marmor-Obelisk, der an einen Aufstand der weißen Liga (Battle of Liberty Place) gegen die Regierung von Louisiana 1874 erinnert (zu der Zeit war New Orleans die Hauptstadt von Louisiana) und ist besonders für weiße Suprematisten von Bedeutung. Die anderen Denkmäler standen an prominenteren Stellen und erinnerten an den Amerikanischen Bürgerkrieg: an Konföderiertenpräsident Jefferson Davis, an  Konföderiertengeneral P.G.T. Beauregard (eine Reiterstatue inmitten eines Kreisverkehrs vor dem City Park) und das letzte und wohl bekannteste und dabei ästhetisch nicht besonders gelungene Denkmal an General Robert E. Lee, auch aus der Mitte eines Kreisverkehrs, dem geschäftigen Lee Circle an der St. Charles Avenue. Vor allem letztere Aktion wurde von den Medien intensiv begleitet und dokumentiert (hier). Es gab Proteste, von Gegnern, darunter auch weiße Suprematisten und angereiste Geschichtsfans, und Befürwortern. Aber Fotos zeigen auch Gespräche und Händedrücke zwischen beiden Seiten.
Bürgermeister Mitch Landrieu (Demokrat) hatte den Vorschlag im Juli 2015 in den Stadtrat eingebracht. Zu Bewegung in den Umgang mit Konföderiertensymbolen war es gekommen, nachdem 2015 ein junger weißer Rassist in der Emanuel African Methodist Episcopal Church in Charleston, South Carolina, neun afroamerikanische Gemeindemitglieder erschossen hatte und - auch weil er mit der Konföderiertenfahne gepost hatte - die Fahne vor dem State Capitol in South Carolina entfernt wurde. Gegen-Bewegung gegen den Abbau der Denkmäler in New Orleans gab es jetzt auf bundesstaatlicher Ebene, wo Louisiana jetzt ein Gesetz gegen die Entfernung von Kriegsdenkmälern verabschiedet hat. In der Diskussion darüber sagte die weiße Abgeordnete Brenda O’Brock aus Shreveport zu der afroamerikanischen Abgeordneten Patricia Smith aus Baton Rouge: „You need to get over it.“ (hier)
New Orleans war nur 15 Monate lang Teil der Konföderation und ist auch nach Hurrikan Katrina eine vorwiegend afroamerikanische Stadt. Trotzdem sehen manche die Aktion als politische Vereinnahmung einer langen Kampagne durch Mitch Landrieu, der, wie gemunkelt wird, für 2020 Präsidentschaftsambitionen hegen könnte. Jetzt hat er erst einmal eine bewegende Rede gehalten (hier), die ein New-York-Times-Kommentator als Musterbeispiel der Eloquenz vor allem in der heutigen Zeit hervorhebt: „Words, like monuments, matter. They nudge. They shape.“ (Worte, wie Denkmäler, bedeuten etwas. Sie geben einen Stups. Sie formen.“ (hier)
Als ich zuerst über das alles gelesen habe, war da so ein kleiner Stich im Herzen. Es wird die Stadtlandschaft sehr verändern. Doch ich bin überzeugt, dass es richtig ist. Mein Freund Rex Rose schrieb auf Facebook: „If removal of the monuments WOULD work to bring the city together like it has never been before, would you still be against it? Ask yourself this, also: If you were black in New Orleans, living under Confederate monuments energetically defended by large portions of the white population, would you care to work together with that community with your full energy? Personally, I think I would simply write off anything the white power structure said as bunk and try to get over on it the best way I could.“*
Und was jetzt? Rex Rose hat ein Denkmal für Allen Toussaint vorgeschlagen, den legendären Musiker, Komponisten, Impressario und Gentleman, der 2015 plötzlich gestorben ist. Gute Idee, wird aber ein bisschen dauern und muss vielleicht nicht genau dahin, wo die anderen standen. Eigentlich bin ich da ganz bei dem New Orleanser Autor Jed Horne: Die Podeste sollten stehen bleiben – leer. Denn, so schreibt er, damit würde man an den Kampf und die Kontroverse um die Entfernung der Denkmäler erinnern, die jetzt genauso Teil des kulturellen und geschichtlichen Erbes der Stadt sind wie die Denkmäler und das, wofür sie standen. Beredte Leerstellen wären das.


Abtransport der Statue von General Lee
Foto von Wikipedia
By Abdazizar - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=59102981

* Übersetzung: "Wenn Die Entfernung der Denkmäler helfen WÜRDE, die Stadt zusammenzubringen wie nie zuvor, wärt Ihr dann immer noch dagegen? Fragt Euch doch auch mal das: Wenn Du in New Orleans Schwarzer wärest und unter den Konföderiertendenkmälern leben müsstest, die von großen Teilen der weißen Bevölkerung heftig verteidigt werden, hättest Du dann Lust mit ganzer Kraft mit diesem Teil der Bevölkerung mit aller Kraft zusammenzuarbeiten? Ich persönlich würde wahrscheinlich alles, das die weiße Machtstruktur sagt, als Quatsch abtun und würde versuchen, so gut es geht darüber hinwegzukommen."

Samstag, 15. April 2017

Zwei New-Orleans-Krimis von Joy Castro

Ich habe zwei Krimis von Joy Castro gelesen: Tödlicher Sumpf (Hell or High Water) in der sehr lesbaren Übersetzung von Susanne Wallbaum (dtv 2013) und Nearer Home (St. Martin's Press 2013), den zweiten in der Serie, im Original. Beide spielen in New Orleans und sind spannend, wenn auch eigentlich keine richtigen Krimis. Die Ermittelnde ist hier eine junge Reporterin, Nola Céspedes, die New Orleans aus einer interessanten, Latina-geprägten Perspektive zeigt, eine kulturelle Facette der Stadt, die eigentlich erst nach Katrina so recht an Bedeutung gewonnen hat. Die Autorin weiß, wovon sie redet, und die Stadt und die beschriebenen Schauplätze sind wiederzuerkennen, und nicht nur deshalb habe ich es gern gelesen.
Nola ist eine ungewöhnliche (auf Englisch würde man wohl sagen: unlikely) Heldin. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen mit alleinstehender, kubanischer Mutter, lebt in einer WG, ist links, engagiert sich als ehrenamtliche Big Sister für ein Mädchen aus ein mexikanischen Einwandererfamilie, hat eine illustre Freundinnenrunde wie aus Sex and the City und ist eine begabte Journalistin. Dann hat sie noch ein äußerst riskantes, eher sportliches Sexleben, das sich später aus einer Missbrauchgeschichte erklärt. Genau bei einem solchen Abenteuer lernt sie einen Traumprinzen in Form eines fußballspielenden spanischen Umweltwissenschaftler-Gentlemans und Sexhengstes kennen. Und irgendwie sind alle wichtigen kulturellen Eckpunkte abgehakt: Nola hat an der Tulane-University studiert, sie arbeitet bei der New Orleans Times-Picayune, sie fährt nach Grand Isle, wo sie an Kate Chopins Buch Das Erwachen denkt und sich vor Haien fürchtet, die sich dann als Delfine herausstellen; ihr schwuler isrealischer Mitbewohner arbeitet im edlen Columns Hotel auf der St. Charles Avenue.
Dann wäre da noch die eigentliche Krimihandlung, und die überzeugt nur bedingt. In Tödlicher Sumpf recherchiert Nola zur Rehabilitation von Sextätern, durchweg unheimliche und unheilbare, nicht geheilt werden wollende, hoffnungslose Fälle, klärt dabei das Verschwinden einer jungen Frau auf und rettet eine zweite. In Nearer Home entdeckt sie beim Joggen im Park die Leiche ihrer früheren Journalistikprofessorin und fängt an zu ermitteln, wobei sie deren Recherchen zu Korruptionsfällen und den Verzweigungen in der politischen Ebene vertieft. Beides wichtige Themen mit einer politischen Dimension, aber kein stringenter Whodunit.
Der zweite Band ist noch nicht auf Deutsch erschienen, aber auch er liest sich schnell weg. Das umgebende Personal ist weiterhin charmant, aber die Beziehung bröckelt etwas. Doch Nola entwickelt sich persönlich weiter, hadert mit ihrer Beziehung, bleibt aber dran, lernt ihre Mutter und ihre Freundinnen besser kennen usw. Beide Hauptfiguren, die junge Nola Céspedes und New Orleans, sind wirklich gut getroffen. Und vermutlich haben es alle gleich gemerkt, Nolas Vorname ist zugleich ein Kurzwort für New Orleans, Louisiana (LA. ist das Kürzel für Louisiana in der Postanschrift).
Lesbar!

Anhang: Natürlich habe ich mir auch die sehr gelungene Übersetzung angesehen und an einigen Stellen noch etwas weiterrecherchiert.
Virginia-Eichen:  Das ist die deutsche Übersetzung für live oaks, die man im Internet findet, aber ich verwende sie aus mehreren Gründen nicht. Vor allem erinnert „Virginia“ an den Bundesstaat, was ich  irreführend finde, weil der etwa 1600 Kilometer entfernt und deutlich weiter nördlich liegt und diese Eichen dort nicht so häufig, so alt und so für die Landschaft prägend sind wie in Louisiana. Außerdem mag ich die „existentielle“ Komponente des Namens und nenne sie deshalb Lebenseichen. kreolisches Drei-Zimmer-Cottage: Ein Creole Cottage ist ein für Louisiana typischer Haustyp, meist klein, eingeschossig mit Dachboden und symmetrischen Eingängen.
Den Mississippi höre ich nicht:  Darüber habe ich mich gewundert, aber bestimmt steht es so im Original. New Orleans ist eine richtige Stadt, da hört man den Fluss nicht, höchstens an manchen Stellen den Hafen oder  das Hupen der Frachtschiffe.
Esplanade-Grat:  Es geht um den Stadtteil Esplanade Ridge und eine kleine höhere Stelle zwischen den tiefer gelegenen, insgesamt etwa 1,20 – 1,50 Meter höher als das umliegende Gelände. „Grat“ ist vielleicht nicht ganz passend, weil es auch  darum ging, dass N.O. unter dem Meeresspiegel liegt.
Gekochter Crawfish:  Bei einem Crawfish Boil werden auf jeden Fall Krebse gekocht, aber es geht auch um das Drum- und Dran. Es ist eine riesige Sause, meistens im Freien mit vielen Leuten, riesige Pötte mit Crawfish, Kartoffeln und Gemüse, die in Wasser gekocht und dann auf Zeitungspapier auf dem Tisch (meistens langen Biertischen) ausgeschüttet werden. Um den Tisch sitze alle herum,  pulen für sich die Krebse,  fischen das Gemüse heraus und essen mit den Händen.
Momentan läuft der Lokalsender NPR:  National Public Radio ist kein Lokalsender bzw. gar kein eigentlicher Sender. Es ist ein unabhängiges nationales Radio-Verteiler-und Produktions-Netzwerk mit bestimmten Nachrichten- und vielen anderen Sendungen usw., die über lokale Sender ausgestrahlt werden. In New Orleans heißt dieser Sender WWNO und sendet morgens und nachmittags/abends Sendungen von NPR und ansonsten klassische Musik. (Ich habe bei WWNO mal bei einer Spendenkampagne ausgeholfen.) NPR hat nur einen eigenen Sender – hier in Berlin, noch bis Sommer 2017.

Montag, 18. Juli 2016

Baton Rouge, Louisiana

Ein paar Fakten:
Hauptstadt des Bundesstaats Lousiana, am Ostufer des Mississippi
ca. 230.000 Einwohner, 17 Meter über dem Meeresspiegel
Gegründet 1699, besiedelt 1719, aus dem Französischen für „Roter Stock“
Religion: vor allem Baptisten und Methodisten, dann Katholiken
Größte Universität: Louisiana State University, meine Alma Mater. Amerikaner denken dabei an das Football Team LSU Tigers. Ein lebender Tiger, Mike, lebt als Maskottchen auf dem Campus und wird bei Heimspielen aufs Spielfeld gefahren.
Von Spanish Town und anderen alten Vierteln abgesehen, ist die Infrastruktur ganz aufs Auto ausgerichtet. Die Autobahnen I-10 und I-12 führen mitten durch die typische zersiedelte amerikanische Stadt.


Vor 26 Jahren, im Herbst 1990, kam ich auf meiner Greyhound-Reise durch die USA auch nach Baton Rouge. Ich blieb ein paar Stunden, schlug mit Mühe die Zeit tot. Damals war nämlich im Stadtzentrum fast nix, nur das Louisiana State Capitol aus den 30er-Jahren, ein Wolkenkratzerchen (137 Meter) im Art-Deco-Stil, irgendwo zwischen Völkerschlachtdenkmal und dem Warschauer Palac Kultury. Der Bau des neuen Capitol Building war die Idee des legendären Gouverneurs (1928-1932) und späteren Senators Huey P. Long, eine Art populistischer Südstaaten-Kennedy, der 1935 in seinem Capitol erschossen wurde. Um ihn geht es in dem wunderbaren Roman All the King’s Men von Robert Penn Warren, deutsch Das Spiel der Macht, auch als Film mit Sean Penn von 2006.

Von der Aussichtsplattform auf dem Dach blickte ich auf die menschenleere Innenstadt und sah auf dem Mississippi in Ufernähe Baumstämme treiben. Als ich 1995 nach Baton Rouge zog, war das Flussufer inzwischen zur Promenade (Riverwalk) ausgebaut worden.
Ich lebte vier Jahre lang in der Stadt, drei davon in einem charmanten Holzhäuschen  in einem Viertel, das Freunde wegen der Straßennamen die „Philosophy Neighborhood“ nannten. Es lag gleich gegenüber des verwunschenen Garden Districts, wo ich an warmen Nächten spazieren ging. Es war eine schöne Zeit, in der ich viel erlebt, geliebt, gelernt habe, nur dass in einem Sommer hinter meinem Haus jemand angeschossen und ein Jahr später, am Abend vor der Gerichtsverhandlung, getötet wurde. Ansonsten war ich mit Franzosen, Künstlern, Schriftstellern befreundet und hatte einen sehr zuverlässigen persischen Automechaniker, Mark.
Mein Leben spielte sich vor allem im südlichen Teil der Stadt ab, in der Gegend um die Uni, mit luxuriösen Häusern für die Professoren, einfacheren Vierteln für junge Familien und einer Partystadt aus doppelstöckigen Mietshäusern für die Undergraduates (Tiger Town). Wir fuhren sonnabends ins Stadtzentrum zum kargen Wochenmarkt, wo die meist schwarzen Bauern aus der Umgebung Mustard oder Collard Greens und Tomaten verkauften. Wir gingen in Bars und Klubs, trafen uns zu Partys und wöchentliche Tafelrunden. Ich studierte französische Literatur und Creative Writing, lernte louisianische Tänze, Essen und Kultur, genoss das subtropische Klima. Kurzzeitig wollten wir ein leerstehendes Gebäude zu einem Kunstzentrum aufbauen. Heute steht an der Stelle das schicke Shaw-Center mit Museum, Theater und Dachrestaurant Tsunami fast direkt am Mississippi.

Vor allem in den ersten Jahren fuhren wir einmal die Woche zu Tabby’s Blues Box am North Boulevard. Der Besitzer, der schwarze Bluesmusiker Tabby Thomas spielte den Blues, manchmal mit Gästen, dann saß er da und hörte zu. Die Besucher waren Schwarze, immer dieselben, und eine wechselnde Handvoll College-Kids. Alles war sehr schlicht, das Bier war billig und die Musik toll, Swamp-Blues, wie ich später erfuhr. Der Klub war am North Boulevard, inmitten vieler leerer Grundstücke. Auch das Haus nebenan fehlte, und auf der Fläche gegenüber parkten wir, und immer stand dort jemand, der auf die Autos und die heimkehrenden Gäste aufpasste. Im Jahr 2000 zog die Blues Box in die Innenstadt und blieb dort bis zur Schließung 2004. Tabby Thomas hatte auch eine Radiosendung am Sonntagmorgen. Er starb 2014.
Tabby’s Blues Box befand sich am Anfang einer anderen Welt, die man nur am Rande registrierte, wenn man zum Flughafen fuhr oder irgendwie durch eines der armen, schwarzen Viertel kam. Dort im Norden der Stadt befinden sich die Ölraffinerien, die mit den Flammen aus den Schornsteinen und dem Gestank, wie sie in Bitterfeld gleich nach der Wende geschlossen wurden. Der „Petrochemical Corridor“ am Mississippi von Baton Rouge nach New Orleans heißt im Volksmund Cancer Alley. Das ist sarkastisch, aber wahr. Meine Freundin Esra Özdenerol promovierte mit einer Arbeit in Geografie, in der sie mit Hilfe von modernen Verfahren Krebsstatistiken räumlich auswertete (A Spatial Inquiry of Infant Low Birth Weight and Cancer Mortality in East Baton Rouge Parish, Louisiana), mit einem erschreckenden und äußerst brisanten Ergebnis: In der Nähe der Chemiebetriebe, dort wo die armen Schwarzen wohnen, sind die Krebsraten um ein Vielfaches höher als anderswo.
Baton Rouge liegt nur etwa 150 Kilometer nordwestlich von New Orleans, und trotz gleicher Flora und Fauna ähneln sich die Städte nicht. Baton Rouge ist nicht kreolisch, Cajun oder katholisch geprägt wie der Rest Südlouisianas, sondern eher ein Ausläufer des Bible Belt, eine All-American-City mit etwas schärferem Essen und riesigen Kakerlaken. 

Es ist eine Industriestadt, die zur Staatshauptstadt wurde, mit einer Flagship-University, die trotz der einschneidenden und verheerenden Bush- und Bobby-Jindal-Jahre dominiert. Nach Hurrikan Katrina war es Hauptzufluchtsort, als sich die Bevölkerung kurzzeitig verdoppelte und die Baton Rouger über die schrecklichen Fahrer aus New Orleans klagten. Ein Teil der Bevölkerung wollte sich letztes Jahr durch eine eigene Stadtgründung (St. George) vom ärmeren Teil der Stadt lossagen (hier).
In Baton Rouge ist vor knapp zwei Wochen Alton Sterling erschossen worden (und ich glaube, wir lebten beide zwar in derselben, aber nicht in der gleichen Stadt). Es ist die Stadt, in der  die Polizei brutal gegen Protestierende vorging und doch von einer einzelnen Iesha Evans  in den Bann geschlagen wurde, wie auf dem viel kommentierten Foto von Jonathan Bachmann zu sehen (hier). Und es ist die Stadt, in der gestern drei Polizisten erschossen wurden, darunter Montrell Jackson, der in einem Tweet vor 10 Tagen darüber schrieb, wie schwer es ist, Polizist zu sein, aber auch, vor allem privat, schwarz zu sein, der über die Müdigkeit, die Schwere schrieb, die er empfand und zu Liebe aufrief und gegen Hass (hier). Sein winziger Sohn wird ohne ihn aufwachsen. 

Ich bin nur von fern betroffen, aber auch ich finde es ermüdend, zehrend, unerträglich. Vor ein paar Tagen hieß es in einem Artikel, die USA seien auf der Prämisse begründet worden, dass bestimmte Leben nicht so wichtig, also verzichtbar sind. Ich glaube, da ist etwas dran. Es ist bis heute unterschwellig vorhanden. Obwohl einer im Weißen Haus regiert, lebt man als schwarzer Mann in den USA immer noch mordsgefährlich. Die Tatsache, dass Obama schwarz ist und noch dazu klug, warmherzig und witzig, hat, so scheint es mir, dazu beigetragen, dass der Rassismus neue Blüten treibt, dass politische Differenzen in der Regierung in vorher unbekanntem Maße und auf radikale und respektlose Weise ausgetragen werden. Unausgesprochen (abgesehen von den Anschuldigen wegen seines Geburtsorts und dass er angeblich Muslim wäre) ist das fast immer Teil der Opposition gegen ihn. Vielleicht ein letztes, gewaltiges Aufbäumen der alten Klasse, die weiß, dass sie nicht mehr unumschränkt das Sagen hat.
In den letzten zwei Jahren sind viele Fälle bekannt geworden, in denen Afroamerikaner durch Polizeigewalt ums Leben kamen. Dass es trotz der Öffentlichkeit und trotz der Proteste jetzt wieder geschehen ist, mag auch damit zu tun haben, dass sowohl Alton Sterling als auch Philandro Castile, der zwei Tage später in St. Paul erschossen wurde, Waffen trugen. Sie haben ihnen nichts genützt; sie haben ihnen auf fatale Weise geschadet. In einem Radiobericht habe ich etwas gehört, was wir hier in Europa intuitiv wissen und verstehen: Statistisch gesehen, sterben in Bundesstaaten mit einer ausgeprägten Waffenkultur mehr Mensch durch Schusswaffen als in anderen Staaten, wo die Gesetze strenger sind. Natürlich ist das so. Aber kann man das den alten weißen Männern in der überaus mächtigen Waffenlobbyorganisation (National Rifle Association) irgendwie vermitteln? Solange auf Facebook hämische Kommentare auftauchen, mit dem Tenor „Tja, vielleicht einfach mal an die Gesetze halten“, glaube ich nicht so recht daran. 
Ich weiß nicht wie, aber bitte hört auf mit dem Töten. Denkt daran, dass alle Menschen Träume und Wünsche haben und Menschen, die sie lieben. Denkt daran, dass jedes Leben schützenswert ist.  
Hier noch ein interessanter Artikel von einem Afroamerikaner, der in Baton Rouge aufgewachsen ist und dort lebt und lehrt.

Dienstag, 15. März 2016

Spotlight

Um die Oscars hatte es viel Aufregung gegeben, unter dem Motto #OscarsSoWhite, und der Moderator Chris Rock hatte sich ordentlich darüber lustig gemacht. Zum Teil war es das berühmte im Halse steckenbleibende Lachen, so als er sagte, in den sechziger Jahren hätten sich die Schwarzen nicht beschwert, weil sie andere Probleme hatten (Lynchings usw.), oder dass in der Erinnerungskategorie für Verstorbene dieses Mal an die Schwarzen erinnert würde, die auf dem Weg ins Kino von Polizisten erschossen wurden.
Neben all den weißen Schauspielern und Künstlern (wobei Chris Rock auch thematisierte, warum die Preisvergabe überhaupt in Männer und Frauen unterteilt ist) waren auch weiße Filme nominiert, vor allem „The Revenant“ mit Leonardo di Caprio, wohl ein ziemlich brutaler Kracher. Aber gewonnen hat dann ein anderer Film, der mich schon im Vorfeld interessiert hatte, Spotlight, eine Hollywood-Produktion mit Anspruch und einem ernsten Thema. Spotlight heißt ein Spezialteam der Tageszeitung Boston Globe, das investigative Reportagen verantwortet und dafür monatelang recherchieren darf. (Diese Abteilung gibt es heute noch, mit 7 Mitarbeitern, darunter auch Michael Rezendes, der im Film von Mark Ruffalo gespielt wird.)
Der Film zeigt, wie das Spotlight-Team gerade nach einem neuen Thema sucht, und von dem neuen Chefredakteur, Marty Baron, gleich an seinem ersten Tag auf einen Fall angesetzt wird, der immer mal wieder im Lokalteil auftauchte. Gerade am Wochenende zuvor hatte eine Kolumne über Missbrauchsvorwürfe gegen einen Priester mit den Worten geendet: The truth may never be known. (Die Wahrheit wird wohl nie herauskommen.)
Warum eigentlich, fragte sich Baron, eine Frage, die sich die Einheimischen nie gestellt hatten. Wie sich zeigte, weil die katholische Kirche in Boston so allgegenwärtig und allmächtig ist, dass sie selbst Gerichtsakten verschwinden lassen und Missbrauchsfälle in außergerichtlichen Vergleichen abgelten kann. Der Film zeigt die wochenlange Recherche der Journalisten, das Fordern nach Akteneinsicht, das Herumtelefonieren, Leute zum Reden bringen, die nicht reden wollen, Akten und Jahrbücher durchforsten, Notizen machen, nachdenken, zu wenig essen, zu wenig schlafen, den emotionalen Stress. Das alles wird – wie immer wieder betont wird – treffend und nicht sensationell herübergebracht und ist trotzdem spannend und aufregend. Für ihre Recherche wiederum hatten sich die Filmemacher und Schauspieler mit den Reportern getroffen und  einiges abgeguckt. Darüber berichten sie in zwei Interviews auf NPR (in On the Media und Fresh Air) und in verschiedenen Talkshows.
Gleich bei Erscheinen des ersten Artikels einer ganzen Serie, das zeigt der Film, meldeten sich hunderte Missbrauchsopfer, die zum ersten Mal über ihre Erfahrung reden konnten. Und nicht nur das. Die Serie bekam einen Pulitzer-Preis und löste weltweite Untersuchungen aus. In Deutschland allerdings erst 2010 mit dem Brief des Rektors des Berliner Canisius-Kollegs, und wie es scheint, ist da noch gar nicht so sehr viel geschehen.
Was der Film überaus deutlich klar macht, ist die Bedeutung von Zeitungen, ihre Existenzberechtigung, die auch der Chefredakteur anspricht. Die Frage ist doch, was kann die Presse leisten, was digitale Medien nicht so gut können? Wie kann sich die Presse behaupten?
Genau so, davon bin ich überzeugt.
Indem sie Themen thematisiert, die ihre Leser berühren und ihnen am Herzen liegen. Das kann investigativer Journalismus. Und so ist der Boston Globe bis heute eine wichtige überregionale Zeitung, und das Spotlight-Team recherchiert weiter, auch wenn viele Mitarbeiter entlassen wurden. Wie die Washington Post (gegründet 1877) wurde der Boston Globe (gegründet 1872) 2013 an private Unternehmer verkauft, was sich auf die Unternehmungspolitik auswirkte und im Falle der Washington Post, die Jeff Bezos gehört, auch immer mehr in politisch tendenziös wirkender Berichterstattung äußert.
Die New Orleans Times-Picayune (gegründet 1837), die ich lange kannte und liebte, war auch für ihre Rolle nach Hurrikan Katrina Pulitzer-Prize-gekrönt und sorgte später mit einer Serie über das Gefängnissystem in Louisiana für Aufsehen. Darin konnte sie zeigen, dass aufgrund von Korruption und Geschäftsinteressen die (privat betriebenen) Gefängnisse in Louisiana immer gut belegt sind und  der kleine Bundesstaat die größte Gefängnispopulation der USA und damit der Welt hat.
Obwohl die Times-Picayune einen sehr treuen Abonnentenstamm hatte, ließen die neuen Besitzer sie ab 2012 nur noch drei Mal die Woche drucken und leiteten damit den bis heute andauernden Untergang des Traditionsblatts ein. Dafür sprang der Advocate aus Baton Rouge mit einer New-Orleans-Ausgabe in die Bresche und wird immer beliebter. Und zeigt, dass es auch anders geht. (Ich hatte 2012 hier im Blog immer wieder berichtet.)
Fazit: Guter, fundierter Journalismus von erfahrenen und lokal verwurzelten Reportern und Reporterinnen macht sich bezahlt! Spotlight: Ansehen! Allerdings: Es spielen nur Weiße mit.

Mittwoch, 23. Dezember 2015

Weihnachten in New Orleans 1877

Hier eine kleine Meldung über Weihnachten in New Orleans von Lafcadio Hearn. Ich habe es übersetzt.

7. Januar 1878

Heiligabend kam von Westen her mit glühend orangefarbener Pracht, und über dem Sonnenuntergang türmten sich Massen von zitronengelben Wolken. Die ganze Stadt war in orangefarbenes Licht getaucht, kurz bevor die Sonne verschwand, und zwischen den zitronengelben Wolken und dem Blau waren zarte Grüntöne. Wie von Zauberhand nahm das Farbenspiel dieses Sonnenuntergangs die Farben der Obststände überall in der Stadt wieder auf, wo sich die goldenen Früchte zu üppigen Bergen türmten und wo statt der Markisen aus weißer Leinwand jetzt lange Arkadengänge aus Orangenzweigen geflochten waren, an denen immer noch die Früchte glänzten. Es war eine orangene Weihnacht.

Und das Original:
January 7, 1878

Christmas Eve came in with a blaze of orange glory in the West, and masses of lemon-colored clouds piled up above the sunset. The whole city was filled with orange-colored light, just before the sun went down; and between the lemon-hued clouds and the blue were faint tints of green. The colors of that sunset seemed a fairy mockery of the colors of the fruit booths throughout the city; where the golden fruit lay piled up in luxuriant heaps, and where the awnings of white canvas had been replaced by long archways of interwoven orange branches with the fruit still glowing upon them. It was an Orange Christmas.

Merry Christmas and Happy Holidays everyone!

Sonntag, 20. Dezember 2015

Der Axtmann von New Orleans

Das mit dem Axtmörder ist so ein amerikanisches Klischee, mit dem u.a. unbegründete Ängste karikiert werden können. Dabei sind Axtmörder im Land der Schusswaffen im Verhältnis relativ selten. Aber New Orleans hatte tatsächlich einen, der vor etwa 100 Jahren sein Unwesen trieb. Bis heute ist nicht mit völliger Sicherheit aufgeklärt, wer es war. Gefasst wurde er nämlich nicht, sondern er hörte irgendwann einfach auf zu morden, wahrscheinlich weil er selbst ums Leben kam.
Es begann in den Jahren 1911-1912, dann gab es eine längere Pause, womöglich wegen eines Aufenthalts im Staatsgefängnis in Angola oder in einer Irrenanstalt, und dann schlug er in den Jahren 1918-1919 in Serie zu und verdiente sich den Namen Axeman of New Orleans. Betroffen waren hauptsächlich italienischstämmige Lebensmittelhändler, die äußerst brutal niedergemetzelt wurden, vor allem auch deren Frauen; gestohlen wurde nichts. Interessanterweise gibt es einen Brief des Axtmanns vom 13. März 1919, der in der New Orleans Times Picayune veröffentlicht wurde. Der Brief ist ein Meisterwerk an Sprachgewandtheit und Zynismus, in dem er ankündigt, dass er die Stadt in wenigen Tagen wieder heimsuchen würde und nur Häuser, in denen in jener Nacht Jazz gespielt würde, vor ihm in Sicherheit wären.
Genau das ist der Aufhänger des Erstlings des Briten Ray Celestin, in dem der Brief gleich zwei Mal abgedruckt ist. Der Thriller trägt den Titel The Axeman’s Jazz und erschien 2014.
Celestin spinnt eine spannende, ausgeklügelte und äußerst blutrünstige Geschichte, in der er fast nichts Interessantes und Ungewöhnliches an New Orleans auslässt: die Mafia, arme irische Einwanderer, Cajuns, kreolische Plantagenbesitzer, Voodoo, Polizeikorruption, Jazzbeerdigungen, einen Kommissar, der erpressbar ist, weil er mit einer schwarzen Frau verheiratet ist und Familie hat, ein Zitat von Lafcadio Hearn, a lil’ love und – Louis Armstrong. 
In der Sache wird von drei Seiten her ermittelt, wovon natürlich nur die eine Untersuchung durch die Polizei legitimiert ist, doch am Ende deckt jede der drei Parteien ihr Drittel auf, so dass für die Leserin das ganze, sehr komplexe Knäuel an Verwicklungen entwirrt wird, während den jeweils anderen beiden Parteien der Rest verborgen bleibt.
Die erste Ermittlerin ist eigentlich ein Team, bestehend aus Ida Davis, einer sehr jungen, sehr begabten und sehr hellhäutigen Kreolin, die in einer Detektivagentur arbeitet und sich dort langweilt, und ihrem Kindheitsfreund, der früher bei ihrem Vater Trompetenunterricht hatte und ihr jetzt bei den Ermittlungen hilft. Anders als sie ist er schwarz, Jazzmusiker und heißt Lewis (und eben nicht Louis, aber ansonsten stimmen alle biografischen Details überein).
Der zweite Ermittler ist Kommissar Michael Talbot, der in der eigenen Polizeiwache geschnitten wird und sich von Korruption umgeben sieht. Kurzzeitig gesellt sich ihm ein sehr junger, sehr fähiger, frisch eingewanderter Ire als Assistent an die Seite, Kerry, der ein eigenes, hoffnungsvolles Geheimnis hat, aber nach dem Prinzip vieler Hollywoodfilme unverschuldet sterben muss.
Der dritte Ermittler ist Luca D’Andrea, italienischstämmiger Expolizist und Michaels früherer Mentor, der von diesem aber wegen seiner Verbandelungen mit der Mafia überführt und jetzt gerade nach mehreren Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurde. Er ermittelt im Auftrag der Mafia.
Alle drei Ermittler decken wichtige Intrigen und Zusammenhänge auf und geraten dabei selbst in Lebensgefahr. Den eigentlichen Axtmörder stellt Luca und unterliegt ihm letztendlich im Zweikampf. Vorher wird ihm aber noch klar, dass es mit seiner erhofften Rückkehr nach Italien wohl nichts werden wird, und er erlebt noch so etwas wie Liebe, einen ruhigen Rückzugsort bei einer Frau, bei der nicht viele Worte nötig sind.
Das Buch ist spannend und beeindruckend konstruiert. Aber es ist doch so brutal, dass ich es nicht vor dem Einschlafen lesen konnte, ohne wild zu träumen. Woher so viele Autoren und Filmleute ihre Lust an der möglichst grausamen Vernichtung von Menschen haben (wie bereits gesagt noch über die eigentlichen, historisch belegten Axtmorde hinaus)? Der laut Internet tatsächlich verdächtigte Joseph Momfre wird übrigens nicht erwähnt.
Vorn im Buch befindet sich eine Karte vom New Orleans der damaligen Zeit, in der die verschiedenen Orte verzeichnet sind. Immer wieder gibt es Jazz, man fährt Straßenbahn, ins French Quarter, nach Gretna, zum Bayou St. John, das damals noch außerhalb der Stadt lag, es fallen viele, viele Straßennamen - und doch bleibt New Orleans irgendwie blass.
Blass bleibt auch die Sprache, aber spannend ist es trotzdem. Ganz nebenbei erfährt man viel über die Geschichte der Stadt zum Ende des Ersten Weltkriegs und am Beginn der Prohibition, über den Aufstieg des Jazz und vor allem auch über verschiedene Einwanderergruppen. Manches wirkt ein bisschen sehr ausgedacht, ein unmenschlicher Cajun als Menschenhändler und Zuhälter in New Orleans? Hmm. Und dann ist da noch der ewige, zermürbende Regen, der das ganze Buch durchzieht und der mir so untypisch vorkam, bis eine Figur eine Bemerkung darüber macht und eine Flut voraussagt. In der Literatur gilt übrigens das Jahr 1919, in dem die Französische Oper in New Orleans abbrannte, als Ende der kreolischen Kultur in New Orleans.
Der Axtmann wurde übrigens gleich nach 1919 zum Thema in Musikstücken und Karikaturen, später auch Comics und anderen Büchern, zuerst 1991 von Autorin Julie Smith, auch unter dem Titel The Axeman's Jazz.
Ray Celestins The Axeman’s Jazz ist schon ins Französische (unter dem Titel Carnaval), ins Spanische und ins Türkische übersetzt worden; von einer anstehenden deutschen Veröffentlichung ist mir bislang nichts bekannt. Kann man lesen, vielleicht sogar während der besinnlichen Weihnachtszeit...

Montag, 7. September 2015

10 Jahre nach Katrina

Wie ein Hurrikan sind die Katrina-Erinnerungsartikel, -filme und andere Beiträge über uns hinweggezogen. Aus der Flut möchte ich zwei Sendungen empfehlen, die mich berührt haben. Auf Arte noch ein paar Tage lang zu sehen ist ein sehr aktueller Dokumentarfilm Only New Orleans, in dem es um damals und heute geht. Es kommen viele Musiker zu Wort, u.a. auch Davis Rogan, das Vorbild für die von Steve Zahn gespielte Rolle des Davis McAlary in der Serie Treme, Irma Thomas, Familienmitglieder der Andrews/Hill-Dynastie, von denen Trombone Shorty vielleicht der bekannteste und kommerziell erfolgreichste ist, und -- wie immer der vollendete Gentleman -- der große Allen Toussaint, der berichtet, dass die Zeit nach Katrina ihm auch Chancen eröffnet hat. Vom Mann hinter den Kulissen, dem Komponisten und Produzenten, hat er sich nämlich zum Performer entwickelt, der auch selbst mit seinen Liedern auftritt. Gezeigt werden übrigens auch Bilder aus der Ninth Ward, u.a. des Make It Right NOLA-Projekts von Brad Pitt, über das ich kürzlich gelesen habe, dass viele der Entwürfe doch nicht gebaut wurden, weil sie zu teuer waren und das erforderliche Geld nicht aufgetrieben werden konnte. Aber das Viertel wiederbelebt und aufgewertet hat das Projekt allemal. Der Film wurde erst in diesem Sommer fertiggestellt. Ich kenne den Ausspruch übrigens als "Only in New Orleans".
Dann habe ich auf NPR noch eine Folge von This American Life gehört, Nr. 565, Lower 9 +10. Darin geht es um die völlig zerstörte und weggeschwemmte Lower Ninth Ward, deren Bilder damals um die Welt gingen. Thematisiert wird, dass die Bewohner sich dagegen verwahrt haben, dass die Reisebusse zum Gaffen durch ihr Viertel fuhren, und es geht um alte und neue Bewohner, z.B. einen Postangestellten, der ein Cafe mit Kopierladen und anderen Dingen eröffnet hat, um das Viertel wieder zu beleben, um das Ringen einer zugezogenen jungen weißen Familie um Akzeptanz, um Anklänge an einen früheren Hurrikan von 1927, bei dem auch ein Viertel geopfert wurde, um die Innenstadt zu retten. Für mich am beeindruckendsten war die letzte kleine Geschichte um einen jungen Mann, der damals 23 war und seitdem versucht hat, seinen besten Freund von damals wiederzufinden, Samuel, von dem er hofft, dass er noch lebt. Wie durch ein Wunder bringen die Radioleute die beiden per Telefon wieder zusammen. Beide sind sehr bewegt, beide hatten gehofft und nacheinander gesucht, und man hört die alte Vertrautheit und Zuneigung in ihren Stimmen. In ihrer Sprache aber hört man auch die Welten, die sich inzwischen zwischen ihnen aufgetan haben. Der eine ist in New Orleans geblieben und klingt wie jemand von der Straße, und der andere lebt nach einer Odyssee in einem anderen Bundesstaat und hört sich sehr erwachsen und gebildet an. Auch das hat also der Hurrikan gemacht. Verlinkt ist auch eine frühere Sendung, die vor zehn Jahren gleich nach dem Unglück aufgenommen und gesendet wurde.

Freitag, 10. Juli 2015

Nicholas Christopher: Tiger Rag

New Orleans/Louisiana ist als Sujet und Schauplatz ein Dauerbrenner. Hier meine Rezension von Tiger Rag von Nicholas Christopher, Übersetzt von Pociao,  DTV 2014.
In dieser Kritik auf Spiegel Online hieß es mehr oder weniger: Ist eben ein Unterhaltungsroman. Außerdem schreibe der Autor sehr leidenschaftlich und verliere so manchmal den Faden. Und er versuche, Musik in Literatur zu übertragen. „Und so ist Tiger Rag als Roman nur zu empfehlen für Menschen, die viel Ahnung von Musik haben - und nicht allzu viel Ahnung von Literatur.“ 

Genau das ist für mich der Widerspruch: Für einen Unterhaltungsroman muss man zu viel mitdenken, und andererseits ist er einfach, na ja, nicht unterhaltend genug. Es gibt nämlich Zeitsprünge, Vor- und Rückblenden, unterschiedliche Schriftarten, zwei parallel laufende Handlungsstränge, die am Schluss etwas gezwungen zusammengeführt werden. Es gibt unglaublich viele Namen und Personen, die schwer auseinanderzuhalten sind. Aber es wird viel Geschichte erzählt und mit der Handlung verwoben, so dass ich mich fast die ganze Zeit gefragt habe, was wohl wahr ist und was fiktiv.
Aber vielleicht mal konkret: Es fängt an in New Orleans, mit Charles Bolden (genannt Buddy oder King Bolden), offenbar unter Jazzmusikern eine wahre Legende, auch weil nichts Konkretes überliefert ist, außer sein Einfluss auf die Musiker, die mit ihm gearbeitet haben oder ihm nachgefolgt sind. Bolden spielte Kornett, war gutaussehend, hatte Stil, liebte viele Frauen – und endete relativ jung in einer Nervenheilanstalt, in der er die restlichen Jahrzehnte seines Lebens verbrachte.
Das Buch öffnet mit einer Aufnahmesession in einem Hotel (das es übrigens nicht gibt). Die Buddy Bolden-Band spielt drei Mal, und alle drei Male werden auf sogenannten Edison-Walzen aufgezeichnet. Alle drei gehen verloren, müssen verloren gehen, denn im Internet steht, dass es keine Aufzeichnungen gibt. D.h. eine bleibt doch übrig, und wo es zuerst um den Verlust der beiden ersten geht, ist der Rest des Buches dem Weg der letzten Walze gewidmet, die immer wieder in vertrauensvolle Hände weitergegeben, aber dann gestohlen wird.
Die zweite Handlung ist die um Ruby Cardillo, eine Anästhesistin Ende vierzig, deren Mann sich gerade scheiden lassen und eine Krankenschwester im Alter seiner Tochter geheiratet hat. Rubys Gegenreaktion: Sie schlägt völlig über die Stränge, schläft und isst nicht, trinkt, ist hyperaktiv und bereitet eine Rede für einen Kongress vor, wo sie den einzigen Vortrag hält. Erzählt wird auch von Rubys unsteter Kindheit, mit einer Mutter, die sich eher um den jeweiligen Mann in ihrem Leben und wenig um ihr Kind gekümmert hat. Dann kommt auch Rubys Tochter Devon ins Spiel, Mitte zwanzig ein gestrauchelte Jazzpianistin, die getrunken, Drogen genommen, gestohlen hat und dafür im Gefängnis war.
Rubys Vater war ein Taugenichts-Möchtegernmusiker namens Valentine Owen, der das Bindeglied zwischen den beiden Handlungssträngen bildet. Außerdem hat Ruby als Jugendliche
in New Orleans bei einer entfernten Tante, Marielle, gelebt, die eines Tages spurlos verschwindet und am Ende als Joan Neptune wieder auftaucht. Sie ist das zweite Bindeglied. Devon, die Tochter, begleitet ihre Mutter auf einer mehrtägigen Autofahrt nach New York, wo beide auch ein paar Tage bleiben. Sie suchen dort einen Musik- und Instrumentensammler auf, der ihnen von der Walze erzählt und die Tochter auf die Suche schicken will. Es gibt noch einige Verwicklungen, aber dann taucht die Walze auf, und Devon wird sie veröffentlichen, über Buddy Bolden schreiben und damit irgendwie wieder ins Leben zurückfinden. Es ist ein Happy End, ganz ohne Liebesgeschichte, eins, bei dem die Frauen einer Familie zueinander und in ihrem Zusammensein Kraft und Heilung finden. 
Leider bleiben die Figuren blutleer, schematisch, durchgehend gut oder schlecht, ohne dass wir ihre Motive nachvollziehen können. Ruby ist ein Klischee einer Geschiedenen, die ihr Leben wieder für sich zurückgewinnen will. Auch Devon, aus deren Sicht einige Teile geschrieben sind, bleibt blass. Aber am schlimmsten fällt Rubys Vater aus, eben jener Valentine Owen, der einfach nur durch und durch mies und mickrig und niedrig ist. Das ist unglaubwürdig, denn, wie ich aus Erfahrung weiß, halten sich auch die schlimmsten Schurken tief innen drin für gut oder wenigstens stark. 
Gelernt habe ich auch so einiges, zum Beispiel über den Unterschied zwischen einem Kornett und einer Trompete (Mundstück, Schalltrichter, Ton, Kornett ist schwerer zu spielen; interessanterweise wurde ja früher mehr Kornett gespielt), wie wichtig das Vorhandensein von Zähnen für das Spielen eines Blasinstruments ist und dass man (wie Leonard Bechet, der Bruder von Sidney) zwar ein guter Zugposaunist sein, aber eben mit den Ventilen nicht klar kommen kann.
New York im dicken Schnee wird sehr plastisch (es ist kurz vor Weihnachten), aber New Orleans besteht nur aus Straßennamen und Orten und wird einfach nicht lebendig. Und die Übersetzung? Übersetzt hat es die legendäre Pociao, die viel und offenbar gut übersetzt, denn welche Übersetzerin hat schon einen Künstlernamen? Hier scheint das Original nicht so sehr viel zu bieten: Ortsnamen und Anspielungen sind brav durchexerziert; nur einmal bin ich aufgeschreckt, nämlich bei dem Wort Eintopf. 

Damit ist vermutlich ein Gumbo gemeint und sollte im Fall von New Orleans unbedingt dort stehen. Als Ruby bei Marielle lebt, wird sie mit Shrimps in zehn verschiedenen Zubereitungen verwöhnt, mit „Okragemüse, Löwenzahnsuppe und Gumbo mit Krebsfleisch“ (S. 110).  Später wird die Reaktion von Kollegen und Kritikern auf Buddy Boldens Musik beschrieben. Dort heißt es: „Archimedes Robinson, ein junger Journalist mit schwülstigem Stil, bezeichnete es [Buddy Boldens Art zu Musizieren] im Parade Magazine als 'Delta-Mischung', einen musikalischen Eintopf, den Bolden als erster aufgetischt habe.“ (S. 173)
In meiner kürzlich in Bücher 4/2015 erschienen
Botschaft aus Babel zum Thema New Orleans Übersetzen (S. 62) habe ich dazu geschrieben:
„Zur legendären Esskultur von New Orleans gehört Gumbo – eine mit dunkler Mehlschwitze angedickte, scharfe Suppe mit Okraschoten, Fleisch und vielen anderen Zutaten. Wie Okra ist auch der Name Gumbo afrikanischen Ursprungs, und es ist so viel mehr als nur ein Gericht: Es steht für den besonderen Schmelztiegel New Orleans, mit seinen afrikanischen, karibischen, französischen und vielen anderen Einflüssen. Eintopf mag die knappste Beschreibung dafür sein, aber das Hybride, das für New Orleans so typisch ist, die ganze Feinheit und Würze in einen so urdeutschen Begriff zu zwängen, das funktioniert irgendwie nicht.“ (Wird vermutlich in Bälde ins Internet gestellt, andere Kolumnen siehe hier.) Der „musikalischene Eintopf“ mag bei uns eingebürgert sein, aber in New Orleans sollte man in jedem Fall einen „Gumbo“ servieren.

Was das Leben von Buddy Bolden und den Jazz angeht, ist das Buch äußerst informativ. Zum gleichen Thema gibt es übrigens noch einen früheren, ebenfalls sehr kompliziert aufgebauten Roman von Michael Ondaatje, Buddy Boldens Blues, übersetzt von Adelheid Dormagen, Hanser Verlag 1995.

Mittwoch, 20. Mai 2015

Familienbands/bande

Um die Jahrtausendwende gab es in Baton Rouge, Louisiana, eine junge Band namens Red Stick Ramblers (red stick, roter Stab oder Stock, ist die wörtliche Übersetzung von baton rouge und ein Spitzname für die Stadt), Collegestudenten der Louisiana State University, die Cajun und Louisiana Traditionals, Western Swing und Anderes spielten, unbekümmert und natürlich und mit einer gekonnt sparsamen Instrumentierung, bei der jedes Instrument Gehör fand (zum Beispiel im "Main Street Blues"). Den Kern der Band bildeten damals die beiden Freunde Linzay Young und Joel Savoy, wobei Linzay der Sänger und Frauenschwarm war und der zurückhaltendere Joel die Fiddel virtuos bediente. (Es gibt von 2009 eine CD nur mit den beiden und hier ein Lied auf Youtube). Joel war damals bei einer Kollegin von mir im Französischkurs und sein kleiner Bruder Wilson Savoy, der irgendwie auch überall mitspielte (vor allem Akkordeon), war ein äußerst talentierter Student in meinem Deutschkurs. Mit in der Band war auch Ricky Rees am Großmutterbass, der jetzt in Austin, Texas, bei den Soul Supporters spielt. Linzay Young führte die Band noch bis 2013 weiter, brachte in der Koch-Reise-Sendung No Reservations Anthony Bourdain echtes Cajun-Essen nahe (siehe auch hier im Blog) und weihte in der Fernsehserie Treme die Geigerin Lucia Micarelli ins Fiddelspielen ein (auch hier im Blog).
Die beiden Savoy-Brüder entstammen einer Cajun-Musikerfamilie und spielen auch heute noch mit ihren Eltern Marc und Ann Savoy in der Savoy Family Cajun Band (in dem Video auf ihrer Webseite mit einer wunderbaren akustischen Version links Wilson und rechts daneben Joel). Das Ehepaar spielt seit 1977 zusammen und immer wieder auch mit dem berühmten Michael Doucet von Beausoleil.
Als ich mir jetzt meine Red Stick Ramblers-CD wieder einmal angehört habe, fing ich auch ein bisschen an zu gugeln. Und siehe da, Wilson Savoy hat eine Band namens Pine Leaf Boys und ist auch Filmemacher. Joel Savoy hat ein Plattenlabel namens Valcour Records und das Aufnahmestudio SavoyFaire. Er ist mit Kelli Jones-Savoy verheiratet, die aus einer Musikerfamilie in North Carolina stammt, und musiziert auch mit ihr, und Linzay Young ist mit Emma verheiratet und spielt jetzt auch gemeinsam mit ihr und ihren Eltern in der Good & Young Band. Die beiden Paare spielen auch zusammen als Double Date, hier ihre Aufnahme von "I’m Tyin’ Up The Blues". Sehr hübsch auch "I’ll Be There". Irgendwie klingt das ziemlich nach Happy End.
Jetzt hier und heute in Berlin habe ich auch eine Lieblingsband, die überhaupt nichts mit Louisiana zu tun hat, ganz andere Musik macht, aber im weitesten Sinne auch eine Familienband ist: Yellow Bird (benannt nach dem gleichnamigen Lied von Harry Belafonte). Zum ersten Mal erlebt habe ich sie bei einem Konzert 2012 in der Kugelbahn im Wedding, das auch ihre kanadische Ein-Mann-Vorband Martin Gallop bei ihrem CD-Release-Konzert im Februar erwähnte. Angefangen hat die Band mit dem Paar Manon Kahle und Uli Kempendorff, sie Amerikanerin aus den Appalachen in Vermont, er Berliner mit einschlägiger USA-Erfahrung. Manon mit glockenklarer Stimme, die auch Ukulele spielt, singt in close harmony mit der samtdunkel klingenden Schweizerin Lucia Cadotsch; es spielen an der Gitarre Ronny Graupe, an verschiedenen Klarinetten Uli Kempendorff und am Schlagzeug Michael Griener. Die Band spielt Americana, Country und Folk mit Spielfreude, Witz und einer klar aus dem Jazz kommenden Haltung, durch die alles irgendwie frisch und zugleich tief und echt klingt und einen Alte-Welt-Touch bekommt. Schön und toll instrumentiert sind sie alle, doch meine Favoriten sind "I Don't Believe You've Met My Baby" und "Hello Stranger". Inzwischen rückt Yellow Bird auch mit neuen, eigenen Liedern heraus, die Tolles für die Zukunft erahnen lassen. Es gibt eine sehr aktuelle Webseite, die eingehendes Surfen verdient, von Manon Kahle gestaltete Videos, und immer wieder Live-Konzerte, zum Beispiel am 5. Juni auf dem Stolze Openair-Festival in Zürich und am 6. Juni auf dem Stadtfest Eberswalde. Vielleicht fliegt ja spätestens dort neuen Fans ein gelbes Vögelchen zu.

Mittwoch, 18. März 2015

Kudzu

Es ist nicht mehr zu übersehen: winzige Kälbchen und Fohlen auf den Weiden, Schneeglöckchen und Krokusse hinterm Haus. Und ein flirrendes zartes Netz aus Vogelgezwitscher liegt in der Luft. Aber als noch nichts darauf hinzudeuten schien und es morgens noch grau und gefroren war, da gab es erst einmal nur eine Farbe: das Gelbgrün an den Stämmen der Eschenahorne. Bei näherer Betrachtung ist es ein trockener Bewuchs, kein Moos, eher wie eine Rinde aus tausenden grünen Blütchen.
Der Eschenahorn, dieser Eindringling aus den USA, war mal wieder der erste!
Auch in Louisiana sind die fremdländischen Invasoren, die sich wegen fehlender Feinde ungehindert ausbreiten können, immer die ersten. Der eine ist Chinese Privet, Chinesischer Liguster, der Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführt wurde und die Strauchlandschaft dominiert, einheimische Pflanzen erstickt und die gesamte Pflanzengemeinschaft verändert. Ähnlich sieht es mit dem Chinese Tallow aus, Chinesischer Talgbaum, der u.a. zur Herstellung von Biodiesel dient. Es hält sich immer noch das Gerücht, dass Benjamin Franklin die Pflanze in den Süden der USA eingeführt hat.
Tja, und dann wäre da noch Kudzu aus Japan, dem der National Geographic letztens ein kleines Artikelchen gewidmet hat. Kudzu ist auch als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich, es soll beim Raucherentzug helfen und bei Wechseljahrbeschwerden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schreibt: „Es liegen keine Berichte über schädliche Wirkungen des Wurzelpulvers usw. vor.“ Na, wenigstens das.
Kudzu wächst sehr dekorativ, denn es legt sich wie ein romantischer grüner Schleier über alles und verbreitet sich rasant über den gesamten amerikanischen Süden, wie ich selbst im Laufe der Jahre beobachtet habe. Kudzu ist ein bisschen wie der leidenschaftliche Beau: Man könnte es für unendliche Liebe halten, aber eigentlich geht es um Kontrolle; er drückt einem die Luft zum Atmen ab und duldet niemand anderes im Leben der Geliebten. Kudzu hat Wurzeln, die sich bis zu dreieinhalb Meter in den Boden graben und ursprünglich gegen Bodenerosion helfen sollten. Unter dem dichten, schweren Vorhang stirbt alles andere ab und selbst Telefonleitungen zerreißen. Da nützt es auch nichts, dass die Pflanze schön duftet und hübsche Blüten hat. Man experimentiert mit Pilzen, auch Schafe und Ziegen sollen gut sein. Aber eine wirkliche Lösung ist noch nicht in Sicht.
Hier ein Foto aus dem Internet von Galen Parks Smith:

Vielleicht noch zwei Frühlingszeichen:
Der Frühling zwischen Kuba und den USA begann im Dezember mit raschen, aber vorsichtigen Annäherungen. Am Sonnabend, 14. März 2015, fand jetzt seit 1958 der erste Direktflug von New Orleans nach Havanna statt, die beide historisch nicht nur ihre quasi-karibischer Charakter verbindet, sondern auch die gemeinsame koloniale Geschichte unter den Spaniern. Es war vorerst nur ein Charterflug für 80 Geschäftsreisende und zivile Aktivisten, die an einer Cuba Hoy-Konferenz (Kuba heute) teilnehmen wollten. Hier. Ich nehme an, dass es auch einen Rückflug geben wird.
Und: Letzte Woche war die sehr komische Radio-Quizsendung Wait Wait Don’t Tell Me zu Gast im Saenger Theatre in New Orleans, und das war etwas ganz Besonderes. Der Moderator Peter Sagal begann zwar mit einem etwas abgegriffenen Witz, aber eigentlich war alles sehr warmherzig und fröhlich, richtig New Orleans eben, und als dann noch der junge, wirklich begnadete Posaunist Trombone Shorty (*Troy Andrews) bei Not My Job lauter abwegige Instrumente raten sollte (Der Mann ist Musiker! Kein Wortmensch, aber er erzählte von seinen Anfängen als 5-Jähriger mit Band im French Quarter...), da wurde er nach der ersten falschen Antwort von einer riesigen Welle aus Vorsagen und Applaus und Liebe durch den Rest der schwierigen Übung getragen. Der Moderator meinte: „They really love you here.“ They do! Und ich wäre so gern dabei gewesen.

Dienstag, 17. Februar 2015

Verschiedenes


Was wir dieses Jahr schon alles verpasst haben:
1. Den 200. Jahrestag der Schlacht von New Orleans am 8. Januar 1815, die im ein paar Kilometer entfernten Chalmette am Mississippi gefochten wurde. Es war eine der letzten Schlachten des Britisch-Amerikanischen Krieges, des vielleicht ersten Krieges, den die junge USA 1812 angefangen hatte. Auf britischer Seite waren sehr hohe Verluste (2700, gegenüber 71 Amerikanern) zu beklagen, weil die Soldaten in klassischer Gefechtsformation antraten und reihenweise niedergemäht wurden. Nach Ende der Schlacht erfuhren die Kriegsparteien, dass bereits am 24. Dezember 1814 der Friedensvertrag von Gent geschlossen worden war, der erst im Februar 1815 durch die USA ratifiziert wurde. Andrew Jackson war der erfolgreiche Befehlshaber, der schließlich 1829 siebenter Präsident der USA wurde. An ihn erinnert auch die Reiterstatue auf dem Jackson Square, dem früheren Place d’Armes, im French Quarter. Die Originalstatue befindet sich im Lafayette Park in Washington, D.C., unweit des Weißen Hauses, ein weiterer Abguss in Nashville, Tennessee, und schließlich wurde 1987 noch einer für Jacksonville, Florida angefertigt. Jackson ist besonders auch für sein grausames Vorgehen gegen die Indianer bekannt. Eine wichtige Rolle in diesem Krieg spielte auch der Pirat Jean Lafitte, nach dem zum Beispiel ein State Park benannt ist. 
2. Heute ist schon wieder der letzte Tag der Mardi Gras-Saison (der Fat Tuesday), an dem besonders viele Paraden stattfinden, u.a. Rex und Zulu. Vor einigen Wochen hatte jemand auf Facebook ein Heimvideo aus den 1950er Jahren eingestellt, das beim Mardi Gras gefilmt worden war. Ohne Ton sah man Bilder aus dem French Quarter, wo sogar das Publikum aufwändig und phantasievoll verkleidet war. Auch das hat sich sehr geändert, denn heute wird Karneval eher konsumiert. Es gibt die Krewes, die die Gefährte (meist riesige LKW) schmücken und sich selbst maskieren. Die Maskierten werfen von den Wagen Plasteperlenketten, bedruckte Becher, Doubloons (eine Art Münzen) und anderen Tinnef in die Menge, die darum heftig kämpft, und selbst fast nie verkleidet ist. Ein aktuelles Video zeigt die 610 Stompers, die am Sonntag in der ganz und gar männlichen Krewe of Toth-Parade in hellblauen Shorts getanzt haben und nach eigener Erklärung als Männer Freude in die Welt bringen wollen. Gerade in New Orleans ein guter und wichtiger Vorsatz. Während der ganz und gar weiblichen Muses-Parade am Donnerstag kam es am Rande zu einer Auseinandersetzung, bei der zwei junge Männer erschossen wurden. Ein 19-Jähriger war der Täter. Manchmal tanzt beim Mardi Gras sogar die Polizei mit, hier
3. In Louisiana gibt es weitgehend noch eine sehr lebendige Volkskultur, die natürlich vor allem auf dem Lande betrieben wird: Cajun Mardi Gras, Festivals mit Musik, Tanz, Essen und wöchentliche Tanzveranstaltungen, bei denen alles von 8 bis 80 Cajun-Tänze tanzt, immer im Kreis durch den Raum und mit wechselnden Partnern. Man nennt das Fais Do Do, eigentlich ein beschwichtigender Spruch in der Babysprache zum Einschlafen, weil die Frauen ihre kleinen Kinder oft zu den Bällen mitbrachten, die dann dort in einem extra Raum (parc aux petits) schlafen sollten. Das ist die traditionelle Erklärung. Eine andere führt den Begriff auf Dos à Dos, einen Ruf für einen Tanzschritt im Contra Dance zurück. (Hier.) Jetzt gibt es eine Webseite, die an viele, auch heute nicht mehr existierende Dancehalls erinnert, eingerichtet vom Center for Louisiana Studies. Aufgelistet sind dort auch die noch heute geöffneten Dancehalls, davon, und das ist keine Überraschung, die meisten in Lafayette, Eunice, Breaux Bridge, Mamou, wo die Cajun-Tradition noch gepflegt wird. Sehr schön und interessant. 

Sonntag, 4. Januar 2015

Paul Morphy

Wenn ich Leuten erzähle, dass ich in Louisiana gelebt habe, dann fragt manchmal jemand, ob ich Paul Morphy kenne. Das klingt wie ein Geheimtipp, und es schwingt eine tiefe Verehrung mit. Die das fragen, sind die leidenschaftlichen Schachspieler.
Paul Morphy war nämlich so etwas wie der Mozart des Schachs, ein Genie, das alle anderen mit Leichtigkeit und in Windeseile an die Wand spielte, ewigen Ruhm einheimste und viel zu früh aufhörte und starb. Man nannte ihn „The Pride and Sorrow of Chess“ (Stolz und Kummer des Schachs). Er war aus New Orleans, dieser Stadt der Alten in der Neuen Welt oder wo sich die Alte mit der Neuen Welt mischt, und vermutlich hat das etwas damit zu tun.
Morphys Urgroßvater, der Ire Michael Murphy, änderte seinen Namen zu Morphy, als er nach Spanien zog. Sein Vater Alonzo Morphy, aus Charleston, South Carolina, war Anwalt und Richter am Obersten Gerichtshof von Louisiana und verheiratet mit Louise Le Carpentier, der Tochter einer französisch-kreolischen Familie aus New Orleans. Obwohl New Orleans fest in amerikanischer Hand war, als Paul Charles Morphy am 22. Juni 1837 geboren wurde, würde es mich nicht wundern, wenn man in dieser ehrwürdigen, kreolischen Familie auch Französisch gesprochen hätte. Der Louisiana Purchase, als die Amerikaner von den Franzosen das riesige, als Louisiana bezeichnete Territorium kauften, das sich bis nach Montana zog und den westlichen Teil des Mittelwestens einschloss, hatte schon 1803 stattgefunden. Ich glaube, ein Satz aus dem Wikipedia-Eintrag dazu beschreibt das, was folgte, sehr treffend: „Governing the Louisiana Territory was more difficult than acquiring it.“ (Das Territorium Louisiana zu regieren war schwieriger, als es zu erwerben.)
Anders als bei Mozart und der Musik scheint dem kleinen Paul niemand Schach beigebracht zu haben. Er war eben immer dabei, wenn sein Vater und  Onkel Ernest spielten, und sein älterer Bruder und seine Schwester Helena spielten auch. Schon mit 9 galt er als einer der besten Spieler in New Orleans, und 1850, mit 12, besiegte er den ungarischstämmigen Schachmeister Johann Löwenthal, der auf Gastspielreise in der Stadt war. 
Danach widmete sich Morphy in Mobile, Alabama, und an der Universität in New Orleans (jetzt Tulane) vor allem seinem Studium, das er 1857 mit einem Juradiplom abschloss. Da er aber noch minderjährig war, durfte er nicht praktizieren, und so ließ er sich erst einmal nach New York zu einem Amerikanischen Schachkongress einladen, wo er als Schachmeister der USA gefeiert wurde. Dann reiste er nach Europa, zunächst, um gegen den europäischen Meister, den Engländer Howard Staunton, zu spielen. Dazu kam es nicht, und es ist nicht klar, warum. Hatte Staunton Angst sich zu blamieren oder war er wirklich mit seinen Arbeiten zu Shakespeare beschäftigt oder hatte Morphy nicht die Startgebühr für das Spiel bezahlt?
Es war zwar für Morphy ein Dämpfer, aber dafür spielte er gegen alle anderen, darunter Daniel Harrwitz und Adolf Anderssen, und gewann, trotz zwischenzeitlicher Darmgrippe, fast durchgehend. In seinem Buch Paul Morphy - Sein Leben und Schaffen schreibt sein deutscher Biograf Max Lange im Jahr 1894: „Hervorgegangen aus einer spanischen und mütterlicherseits aus einer französischen Familie, aber geworden und entwickelt auf amerikanischem Boden, hat PAUL MORPHY die spanische Anmut und die französische Lebendigkeit in seiner Person mit dem kühlen und praktischen Sinn des amerikanischen Charakters wohl vereinigt. Eine ebenso kräftige wie rasche und feine Spielführung zeichnete alle seine Partien aus, und die Augenzeugen seines Spielens waren ohne Ausnahme des Lobes voll von seiner eleganten persönlichen Haltung wie graziösen Steinführung, von seiner steten Selbstbeherrschung in schwierigsten Lagen und von seiner unerschütterlichen Ruhe bei ihn überraschenden Wendungen.“ Das Buch ist übrigens 2009 neu verlegt worden und enthält viele Notationen der Spiele von Paul Morphy, die für Kenner vermutlich eine Offenbarung sind. Hier, mit Leseproben.
Nachdem er praktisch alle besiegt hatte, die es zu besiegen gab, zog er sich vom Schach zurück. Wieder in New Orleans versuchte Morphy, seine Anwaltspraxis in Gang zu bringen, aber erst kam der Amerikanische Bürgerkrieg dazwischen, und dann wollten seine Klienten mit ihm eigentlich immer nur über Schach reden. Zum Glück war er finanziell abgesichert und konnte in den Tag hinein leben.
Am 10. Juli 1884 starb Paul Morphy in der Badewanne, als er nach einem Spaziergang in der Mittagssonne bei einem eiskalten Bad einen Schlaganfall erlitt. Dem Mythos zufolge soll er schon nicht mehr zurechnungsfähig gewesen sein, aber vielleicht war er auch nur exzentrisch.
Einem Gerücht zufolge soll Morphy vor dem Schlafengehen einen Kreis aus Frauenschuhen um sein Bett gebildet haben (über seine private Seite ist sonst nichts weiter bekannt), aber in einem Text seiner Nichte heißt es, dass er seine eigenen vielen Schuhe in seinem Zimmer in einem Halbkreis angeordnet hätte.
Über sein Spiel wird viel spekuliert. Würde er heute mithalten können? Er hatte relativ wenig Übung, aber vermutlich war es auch gerade seine jugendliche Unbekümmertheit, mit der er seine Gegner verunsicherte und dann besiegte. Eine Kennerin schreibt: „Unlike masters of today, who after the centuries of analysis devoted to chess, look for 'truth' in each game, Morphy, as well as many of his contemporaries, looked for beauty, sometimes foregoing the simplest approach for a more pleasing one, and considered the combination the pinnacle of such beauty.“ (Anders als die heutigen Meister, die nach jahrhundertelangen Analysen der Schachspiele in jedem Spiel nach der „Wahrheit“ suchen, suchte Morphy wie viele seiner Zeitgenossen nach Schönheit, und entschied sich manchmal gegen den einfachsten Zug zugunsten eines gefälligeren, und die Kombination betrachtete er als das Allerschönste überhaupt.) Morphy spielte auch gern Blindschach und Vorgabepartien, bei denen dem schwächeren Gegner ein Vorteil eingeräumt wird, entweder mit Figuren oder Zügen, und wie es scheint, lief er dann zu seiner eigentlichen Form auf.
Morphy spielte Schach, wie es heute nicht mehr gespielt wird. Und doch schreibt der Schachweltmeister Bobby Fischer: "A popularly held theory about Paul Morphy is that if he returned to the chess world today and played our best contemporary players, he would come out the loser. Nothing is further from the truth. In a set match, Morphy would beat anybody alive today ..."
Die Morphys lebten übrigens in mehreren Häusern in New Orleans, die auch heute noch existieren. Eins davon war in der 417 Royal Street, wo sich heute das berühmte Restaurant Brennan’s befindet, ein weiteres an der Ecke der Esplanade und Chartres Street, das 1834 für Henry Raphael Denis gebaut wurde. Nach den Morphys lebte dort ein japanischer Chemiker Jokichi Takamine, der sich nach 1884 in New Orleans mit einem seiner Nachbarn anfreundete, dem Journalisten Lafcadio Hearn, der später in Japan ganz groß rauskam. Gleich um die Ecke, Esplanade und Royal Street, wuchs übrigens der nur 8 Jahre ältere kreolische Komponist Louis Moreau Gottschalk auf.
Morphys Grabmal befindet sich auf dem St. Louis Cemetery Nr. 1.  Weil es so schön die Welten illustriert, die da aufeinandertrafen, habe ich noch ein Foto der Partie zwischen Morphy und Löwenthal aus der Public Domain heruntergeladen.

Die Geschichte von Paul Morphy ist übrigens in dem Roman The Chess Players (1960) von Frances Parkinson Keyes auch literarisch verarbeitet worden. Keyes lebte in New Orleans im French Quarter, 1113 Chartres Street, das heute unter dem Namen Beauregard-Keyes House ein Museum ist und für Paul Morphys Großvater mütterlicherseits gebaut wurde. Aber alles was man wirklich über Morphy wissen muss, findet man in diesem, ja leidenschaftlichen Blog-Eintrag: hier.

Sonntag, 28. Dezember 2014

Louisianas Untergang?


Als Kind habe ich mich immer gewundert, dass Amerika im Wilden Westen liegen sollte – auf meinem Globus lag es ganz weit im Osten, noch hinter der Sowjetunion. Auch das mit der Stiefelform Italiens leuchtete mir lange nicht ein, aber als ich jetzt gelesen habe, dass Louisiana wie ein Stiefel aussehen soll, war mir das gleich ganz klar – eher ein Eskimostiefel als einer von Prada.
Allerdings sieht es jetzt gar nicht mehr so aus. Laut einem Bericht im Business Insider hat der Bundesstaat zwischen 1932 bis 2000 eine Fläche von knapp 5000 Quadratkilometern verloren, fast die gesamte Fläche des Staates Delaware. Jede Stunde versinkt eine Fläche in Größe eines Football-Felds im Wasser, etwa ein halber Hektar, also etwas weniger als ein Fußballplatz, wie ich hier vielleicht irrtümlicherweise mal angegeben habe. Damit erodiert die Küste Louisianas schneller als alle anderen Küsten des Planeten, so der Journalist Bob Marshall.
Die Tat- und Ursachen sind bekannt: die industrielle Nutzung und Begradigung des Mississippi, die Zerstörung der Süßwassermarschen durch Ölexplorationsfahrten, die Ölindustrie generell, das Wetter und der Klimawandel. Getan wird fast nichts.
Das bedeutet: Der Stiefel hat schon lange seine Sohle verloren und ist unten völlig ausgefranst und dort, wo das Vorderteil mit dem Schaft verbunden ist, klafft ein immer breiter werdender Riss (u.a. das Atchafalaya Basin). So würde eine aktuelle, genauere Karte Louisianas aussehen, auf der die nicht betretbaren Flächen als solche verzeichnet sind, aber offiziell gibt es diese Karte nicht, denn dann hätte das eine politische Dimension. Also sinkt Südlouisiana weiter.
Spätestens Hurrikan Katrina und die BP-Ölpest ließen auch die Künstlerin Dawn DeDeaux aus New Orleans an den Untergang denken. Stephen Hawkings Ausspruch, dass wir nur noch 100 Jahre hätten, nicht um die Erde zu retten, sondern um sie verlassen, ist das Motto ihrer Installation MotherShip, die sie für die aktuell laufende Biennale Prospect New Orleans P3+ schuf. Kurioserweise musste eine Veranstaltung am 19. Dezember wegen Dauerregens verlegt werden. Interessant ist auch der Art Shack der Künstlerin, ein Shotgun-Haus, bei dem die Spuren von Katrina bewusst sichtbar sind (Wände, die nur noch aus Holzstreben bestehen, verbranntes Holz usw.). Hier.
Auch politische Geschehnisse könnten Untergangsstimmung heraufbeschwören. Nach drei Legislaturperioden wurde Mary Landrieu, die Tochter des früheren und Schwester des jetzigen Bürgermeisters von New Orleans, als demokratische Senatorin nicht wiedergewählt. Ihren Platz nimmt jetzt einer von diesen grauhaarigen, geschniegelten Republikanern mit viereckigem Kopf und vielen Kindern ein, der natürlich von der National Rifle Association, der Waffenlobby, unterstützt wird. In diesem Fall heißt er Bill Cassidy und stammt ursprünglich aus einem Vorort von Chicago. Auch um Mary Landrieu hatte es übrigens Kontroversen gegeben, aber sie war eben doch einer der demokratischen Pfeiler aus einem bis in die siebziger Jahre durchgehend von demokratischen Gouverneuren (danach immer wieder wechselnd) regierten Bundesstaat.
Auch nicht schön: Der republikanische und sehr konservative derzeitige Gouverneur Bobby (Piyush) Jindal ruft im Januar 2015 zu einem Gebetsmeeting mit Unterstützung der American Family Foundation auf, das ausgerechnet auf dem Campus der Louisiana State University, der Flagship University des Bundesstaates, stattfinden soll (hier). Erwähnt sei auch, dass sich der Gouverneur bis zuletzt gegen die Gesundheitsreform gesperrt hat und sich für die Lehre des Kreationismus an den Schulen einsetzt, mit der NRA auf du und du steht, gegen Abtreibung und gegen die Homo-Ehe ist usw. Er wird als einer der möglichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten gehandelt.
Aber vermutlich wird Louisiana auch das irgendwie überleben.

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Kreolisches und anderes Erbe

Oktober ist seit 2005 in Louisiana der Creole Heritage Month (Monat des kreolischen Erbes) und in Kanada und St. Lucia in der Karibik ist es sogar International Creole Month. Als Kreolen, wir erinnern uns, werden typischerweise die in der Neuen Welt geborenen Nachfahren von Spaniern und Franzosen bezeichnet. In New Orleans denkt man dabei meist an Afroamerikaner wie die Musikerdynastien Marsalis und Neville, aber dann gibt es eben auch die, die damit nichts zu tun haben wollen und sich als Weiße verstehen.
Dann gibt es auch noch die in Louisiana als passe-blancs bezeichneten Menschen, d.h. diejenigen mit afroamerikanischer Herkunft, die sich -- oft woanders als in ihrer Heimat -- erfolgreich als Weiße ausgeben und durchschmuggeln konnten, was das Leben natürlich enorm erleichterte. Nella Larsen schrieb darüber in ihrem Roman Passing von 1929 (Deutsch: Seitenwechsel, Dörlemann 2011, Übersetzt von Adelheid Dormagen), einem Klassiker der African American Studies. "Seitenwechsel" finde ich übrigens eine ganz schöne Lösung, denn eine richtige deutsche Entsprechung haben wir aus gegebenen Gründen nicht.
Der Blog Jambalaya Magazine hatte das Thema erst kürzlich. In dem ersten kleinen Video berichtet Bliss Broyard über ihren Vater, den Greenwich-Village-Bohemien Anatole Broyard, der von Kreolen aus New Orleans abstammte und seine Herkunft verleugnete, weil er kein "negro writer" sein wollte. Sie hat diese Geschichte auch in dem Buch One Drop verarbeitet. Im zweiten Video macht sich der Reporter Charlie LeDuff auf Spurensuche und findet versprengte Verwandte verschiedener Couleur.
In einem anderen Artikel zeigt der Blog, wie vermutlich viele kreolische Familien aussehen -- bunt durcheinander.
Das Titelbild dieses interessanten Blogs zeigt die berühmte Oak Alley Plantation, ursprünglich Bon Séjour (Schöner Aufenthalt) genannt, die für einen Kreolen erbaut wurde. Auch die Laura Plantation war kreolisch und erinnert wenigstens auch ein bisschen an die Sklaven. Wenn man nämlich die anderen Herrenhäuser besichtigt, dann wird man oft von jungen Damen in Reifröcken geführt, die über die Möbel und die früheren Sitten erzählen, die Namen der ehemaligen Besitzer herunterleiern usw. Von den Sklaven, die die Plantage aufgebaut und unterhalten haben, ist dabei kaum die Rede, nicht einmal auf der Webseite des National Park Service (hier und hier).
Zumindest auf der Whitney Plantation, auch am Westufer an der River Road gelegen, ändert sich das gerade. Hier richtet nämlich der Anwalt und Immobilienhai John Cummings aus New Orleans das erste Museum der Sklaverei ein, mit einem dem Vietnam Veterans Memorial in Washington, D.C., nachempfundenen Denkmal mit den eingemeißelten Namen der Sklaven, meist nur Vornamen, die dort lebten und schufteten. Die Historikerin Gwendolyn Midlo Hall hat eine Datenbank angelegt, in der die Namen von mehr als 100.000 Sklaven in Louisiana festgehalten sind. Es wird auch Statuen geben und ein beeindruckendes Denkmal mit Keramikköpfen, die an Metallstäben am Wasser im Wind wiegen und an die Niederschlagung des größten Sklavenaufstands in den USA, des German Coast Uprising von 1811, erinnert (hier). Die Whitney Plantation wurde übrigens von deutschen Einwanderern gegründet, den Haydels, die mit die meisten Sklaven in Louisiana hatten, nämlich 101. Sie waren auch bei weitem nicht die einzigen Deutschen in der Gegend, wie sich noch an Namen wie Waguespack (nach Wagenbach) ablesen lässt und am Namen Côte des Allemands.
"Es wird schockierend, bizarr und beeindruckend," so der Initiator Cummings. Und wenn er vielleicht auch ein paar Fehler mache, meint er, so ist es doch ein Anfang.

Montag, 29. September 2014

Geopolitisches

Als ich vor ein paar Wochen in Hamburg war, zu einer tollen Übersetzersause auf einer Barkasse im Hamburger Hafen, war ich ziemlich überrascht, wie breit die Elbe dort ist. "Wenigstens ein richtiger Fluss," meinte meine beherbergende Kollegin. Das Schiff zog Runde um Runde durch den abendlichen, dann nächtlichen Hafen, und eigentlich war es einfach nur unglaublich und unvergleichlich schön. Aber als eine Urberliner Kollegin zu mir sagte: "So was hat Berlin nicht," rutschte mir spontan heraus: "Aber New Orleans," und das vielleicht auch, aber nicht nur, weil es so ein lauer, feuchter, atmosphärischer Abend war.
Tatsächlich erinnerte mich der Hamburger Hafen ein kleines bisschen an New Orleans, obwohl Hamburg als alte Handels- und Kaufmannsstadt majestätischer und reicher und größer ist. Hier ein paar Fakten, in Annäherungswerten:
Breite der Elbe in Hamburg: 500-600 Meter
Breite des Mississippi in New Orleans: 800 Meter
Entfernung von Hamburg bis zur Mündung der Elbe: 115 Kilometer bzw. 70 Seemeilen
Entfernung von New Orleans bis zur Mündung des Mississippi: 160 Kilometer
Hafen Hamburg: größter deutscher Seehafen mit 132,2 Millionen Tonnen Güterumschlag jährlich
Hafen New Orleans: 5. größter US-Hafen mit 84 Millionen Tonnen Güterumschlag jährlich
Einwohnerzahl Hamburg: 1,75 Millionen
Einwohnerzahl New Orleans: 360.000
Eine U-Bahn hat New Orleans auch nicht (lohnt nicht und es ist zu sumpfig).

Kürzlich habe ich diese "Judgmental Map" von New Orleans gefunden, eine satirische "urteilende" Karte, in der die Stadt nach verschiedenen Gesichtspunkten unterteilt ist: Geld, Kriminalität, Ethnien usw. New Orleans ist ja streng genommen, nur das, was sich in Orleans Parish befindet, aber hier ist die New Orleans Metropolitan Area abgebildet, mit Metairie, das sich im Westen nahtlos anschließt und in Jefferson Parish liegt, und New Orleans East und Teilen von St. Bernard Parish sowie auch der Westbank (ja so heißt es). Dort, wo steht: "Brad Pitt Houses" befindet sich die Lower Ninth Ward, die durch Hurrikan Katrina besonders schlimm getroffen wurde. Die Karte findet sich hier (interessant sind allerdings auch die Kommentare).
Auch treffend, aber böse ist eine satirische Parodie auf ein Promotionsvideo der New Orleans Tourism Marketing Corporation für den Stadtteil Bywater, der sich gleich östlich an das Faubourg Marigny anschließt, das wiederum gleich neben dem French Quarter am Mississippi und am Industrial Canal liegt. Zu Bywater gehört das Bywater Historic District. Historisch gesehen war Bywater eines der "Creole Faubourgs" (kreolischen Vorstädte), wo Free People of Color, kreolische Arbeiterfamilien, Einwanderer aus Santo Domingo (Haiti) und Europa, vor allem Irland und Deutschland, lebten. Mehr Fakten und Fotos hier. Seit mehreren Jahren wird hier kräftig gentrifiziert, und genau das nimmt das Satirevideo auf die Schippe (hier; oben die Parodie, unten das Original).
In Bywater lebt auch die feministische und offen bisexuelle Singer/Songwriterin Ani DiFranco mit Familie, die ursprünglich aus Buffalo, New York, stammt. Dass einem auch nach mehreren Jahren vor Ort noch gewisse lokale Sensibilitäten abgehen können, musste sie feststellen, als sie Ende letzten Jahres ein "Righteous Retreat" auf der Nottoway Plantation in White Castle am Mississippi veranstalten wollte (wo ich fast täglich auf dem Weg von Donaldsonville nach Baton Rouge vorbeigefahren bin), also eine Art "rechtschaffenen" Workshop mit ihr, 1000 Dollar pro Person für vier Tage. (Ein Wort wie "righteous" haben wir nicht, aber es bedeutet in etwa Gerechtigkeit fordernd oder suchend).
Dabei war nicht der Preis das Problem, sondern der Veranstaltungsort. Es ist tatsächlich ein besonders beeindruckendes Herrenhaus (daher der Name White Castle) direkt am Ufer des Mississippi. Auf der Nottoway-Plantage lebten und schufteten aber natürlich früher auch hunderte Sklaven, auch wenn das heute eher am Rande erwähnt oder romantisiert wird. Das Plantagenhaus ist jetzt zu besichtigen, und man kann auf dem Gelände auch luxuriös nächtigen, heiraten und Konferenzen abhalten (hier). "Typisch weiße Feministin"und "offenkundigen Rassismus" warf man Ani DiFranco vor, die sich zunächst noch damit verteidigte, dass der besondere Ort sicher auch thematisiert und in die Arbeit eingeflossen wäre. Zum Glück hat sie es dann doch abgesagt. Hier. Auf ihrem neuesten (am 14. Oktober erscheinenden) Album Allergic to Water haben übrigens Ivan Neville und andere New Orleanser Größen mitgespielt (hier).