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Samstag, 6. Juli 2013

Zora Neale Hurston: Their Eyes Were Watching God


Es war einmal ein junger weißer Englischprofessor aus Nebraska namens Robert Hemenway, der las so gegen Ende der sechziger Jahre Their Eyes Were Watching God und war hingerissen. Also wollte er mehr über die afroamerikanische Autorin Zora Neale Hurston (1891-1960) in Erfahrung bringen. Doch er merkte schnell, dass sie nicht nur nahezu vergessen war, sondern dass auch viele widersprüchliche Informationen über ihr Leben kursierten. So packte er seine Sachen, kaufte sich einen Pickup-Camper (einen Pickup-Truck mit Schlafaufsatz) und reiste kreuz und quer durch die östliche Hälfte der USA auf den Spuren seiner Autorin. 1977 erschien dann seine wegweisende Biografie über sie, die eine ganze Welle der Wiederentdeckung auslöste.
(Mich erinnert diese Geschichte ein klein wenig an den großartigen Film Sugarman, den ich vor ein paar Wochen gesehen habe, nur dass es dort um einen mexikanischstämmigen Musiker aus Detroit ging, der sogar noch lebte, und durch seine Wiederentdeckung und dann noch mal durch den Film einen späten Ruhm und Anerkennung erleben durfte. Zora Neale Hurston war eine schwarze Frau, noch dazu aus dem Süden, interessierte sich für die einfachen Menschen und ihre Sprache und Bräuche. Sie starb verarmt und unbekannt.)
Zunächst einmal begannen die African American Studies-Leute, sich für sie zu interessieren, allen voran die noch heute sehr aktive Koryphäe, der Harvardprofessor Henry Louis Gates. Dann machte sich die Schriftstellerin Alice Walker auf die Suche, die sich aus womanistischer Sicht für sie interessierte. In ihrem Essayband In Search of Our Mother’s Gardens von 1973 berichtet Walker über ihre fast erfolglose Suche nach dem verwilderten Grab von Zora Neale Hurston in Florida. (Darin erwähnt sie auch, wie sie bei ihrem Anflug auf Orlando vom Fenster aus Sanford, Florida sah. Das ist der Ort, in dem vor einem Jahr der Jugendliche Trayvon Martin erschossen wurde und wo jetzt der viel beachtete und kontroverse Prozess gegen George Zimmerman läuft, der seinen Tod auf dem Gewissen hat.) Dieser Essay ist übrigens in der deutschen Ausgabe Auf der Suche nach den Gärten unserer Mütter (Übersetzt von Gertraude Krueger, Frauenbuchverlag 1987) nicht enthalten, dafür in einen zweitem Band, Die Erfahrung des Südens. Good Morning Revolution (Übersetzt von Thomas Lindquist und Helga Pfetsch, Frauenbuchverlag 1988 bzw. Goldmann), in dem es zwei Essays zu der Autorin gibt. Es sind "Zora Neale Hurston: Eine Geschichte mit Moral und eine parteiische Ansicht" und "Auf der Suche nach Zora".
Seitdem also steht Zora Neale Hurston bei den African American Studies, bei den Frauen und bei den American Literature-Leuten auf der Leseliste. Zu Recht. Doch in den offiziellen Kanon der amerikanischen Literatur hat sie es noch nicht geschafft, so scheint es mir: zu schwarz, zu eigenwillig, zu südlich.
Zora Neale Hurston war ja nicht nur Autorin der Harlem Renaissance und Schriftstellerin, sondern auch Ethnologin, und so reiste sie durch die Gegend und sammelte Geschichten und Sprache „ihrer“ Leute. Sie tat das mit einer Selbstverständlichkeit, wie sie auch heute noch nicht unbedingt selbstverständlich ist. Möglicherweise hat das damit zu tun, dass sie in Eatonville, Florida, aufwuchs, einer der wenigen ausdrücklich afroamerikanischen Gründungen, wo ihr Vater lange Zeit Bürgermeister war und wo man sich lange Zeit nur unter Schwarzen bewegte und mit Weißen gar nicht groß abgeben musste. Heute gibt es in Eatonville ein Zora Neale Hurston National Museum of Fine Arts.
Hurston studierte an der renommierten schwarzen Howard University in Washington, D.C., dann bei Columbia in New York. Sie lebte in New York, forschte zum Hoodoo in New Orleans, reiste durch die Karibik und veröffentlichte Kurzgeschichten, Romane und ethnologische Studien und Sammlungen. In Their Eyes Were Watching God (1937) lässt sie ihre afroamerikanischen Figuren in der örtlichen Mundart sprechen. Ihre (männlichen) Kollegen nahmen ihr das übel, hielten es vermutlich für eine Art Verrat an den Schwarzen, allen voran Richard Wright, Autor des Protestromans Native Son (1941), der darin Rassismus, Unterdrückung und Lynchjustiz thematisiert und wo die Gewalt und Stigmatisierung, wie auch in If He Hollers Let Him Go (1946) von Chester Himes, stark sexualisiert ist. Richard Wright also warf dem Roman vor, die Schwarzen wie in einer Minstrel Show lächerlich zu machen. Ein vernichtendes Urteil.
Doch in Their Eyes Were Watching God geht es nicht so sehr um Rassismus, denn Weiße tauchen gar nicht auf, höchstens ein wenig darum, dass unter den Afroamerikanern die Hellhäutigen oft als schöner gelten und andererseits auch dafür verspottet werden. Und es geht auch nicht um Sex, sondern um Liebe. Es geht um die Hauptfigur Janie, die sich nach einer akzeptierenden, ebenbürtigen Liebe sehnt und sie, ohne selbst aktiv zu werden, nach allerlei Hindernissen auch findet, in dem um einiges jüngeren Tea Cake. Mit ihm kann sie das Leben in vollen Zügen genießen, lernt über Eifersucht und Treue, über Sein und Seinlassen. Zerstört wird diese Liebe durch einen verheerenden Hurrikan, den sie am Okeechobee-See in Florida erleben, wo Tea Cake sie in den Fluten vor einem tollwütigen Hund rettet und selbst von ihm gebissen wird. Um ihr Leben zu retten, muss Janie ihre große Liebe erschießen. (Die Darstellung von Hurrikanen in der Literatur ist auch noch mal ein Kapitel für sich, siehe Jesmyn Wards Salvage the Bones.)
In der Rahmenhandlung kehrt Janie danach in ihren Heimatort Eatonville zurück, wo die Nachbarn reden und sich das Maul zerreißen. Denn einfach eine schwarze Frau zu sein, die wirkliche Liebe sucht und lebt, die sich mit nicht weniger zufrieden geben will und die sich so anzieht, wie sie möchte, das passt bis heute nicht so recht in das allgemein vorgesehene Rollenmuster für schwarze Frauen. Und so ist Zora Neale Hurstons Liebesroman auch schon revolutionär.
Dialekt, Umgangssprache, Mundart in der Literatur ist immer ungewöhnlich und problematisch. Aber im Deutschen noch viel mehr, wo solche Sprache nach wie vor stark regional markiert ist und deshalb leicht lächerlich oder ironisch oder verniedlichend klingen kann. Was macht man also damit in der Übersetzung? Eines der ersten Beispiele, an das ich mich erinnern konnte, war Simple Speaks His Mind von Hurstons Harlem-Renaissance-Kollegen Langston Hughes aus den vierziger Jahren. Darin ist die Gossensprache auch wieder Stilmittel, denn sie charakterisiert einerseits die Hauptfigur als einfach gestrickt, aber doch mit Weisheit und Kritikvermögen gerüstet, so dass er soziale Missstände scheinbar unbedarft karikiert und in Frage stellt. 1960 erschien das Buch zum ersten Mal in der deutschen Übersetzung von Günther Klotz als Simpel spricht sich aus im Aufbauverlag in der DDR. Günther Klotz ist mir sonst weiter kein Begriff, aber in seinem Nachwort thematisiert er auch die Übersetzung: „Mehr als bei anderen Büchern muß die Übersetzung Ersatz sein, denn sie kann mit der leichten Verschleifung der Hochsprache die eigentümliche Qualität des Originals nur andeuten.“ Das klingt bescheiden, aber in meiner Erinnerung tat er das ganz geschickt und lesbar; die Neuübersetzung von Evelyn Steinthaler im Milena-Verlag scheint neutraler zu sein.
Their Eyes Were Watching God wurde zunächst 1993 von Barbara Henninges für den Ammann-Verlag übersetzt, als Und ihre Augen schauten Gott. Wie alle Erstübersetzungen ist auch diese verdienstvoll, denn sie erschließt diesen schwierigen und eigentümlichen Text furchtlos und korrekt fürs Deutsche, ergänzt ihn durch ein informatives Glossar. Immer wieder bewundere ich wie Übersetzer das früher ohne Internet gemacht haben (besonders auch in der DDR ohne Reisemöglichkeiten), denn so gebildet, belesen und weit gereist man auch sein mag, jeder Text stellt einen doch immer wieder vor neue Schwierigkeiten. Die Mundart bringt die Übersetzerin als Dialekt in unsere Sprache, für mich liest sie sich nach Ruhrpott, andere sehen sie als rheinischen Kunstdialekt. Es mag dafür Rechtfertigungen geben -- auch eine Redeweise armer Leute, regional geprägt usw. -- doch irgendwie macht man so etwas heute nicht mehr und für mich funktioniert es einfach nicht.
Für die Edition Fünf, die persönliche Lieblingsbücher von Frauen nicht nur für Frauen verlegt, hat sich ein Mann der Neuübersetzung angenommen, Hans-Ulrich Möhring, und noch dazu bekennt er, dass dieses Buch, Vor ihren Augen sahen sie Gott, ein Traumprojekt war und damit eines seiner am Horizont fahrenden Schiffe in den Hafen eingelaufen ist. Beides ist ungewöhnlich. Auch er berichtet in einem Nachwort über das Buch und die Autorin und über sein Verfahren. Die Verlegerin Silke Weniger hat mir das so zusammengefasst (und mich damit neugierig gemacht): Er übersetzt, indem er einzelne Sätze im Original stehen lässt. Er selbst beschreibt den Blues als sein leitendes Prinzip. Das liest sich dann zum Beispiel so: „Ah was skeered. Ich hatte Schiss.“ (Bei Barbara Henninges steht: Ich hatte Anx.) oder „Dann musst du ihnen sagen, dass die Liebe nicht so was ist wie ein Schleifstein, der überall gleich ist und mit allem das Gleiche macht, wo er mit in Berührung kommt. Love is lak de sea. Wie das Meer ist die Liebe, immer in Bewegung, aber seine Form kriegt es erst von der Küste, an die es trifft, und die ist von Küste zu Küste anders.“ Für mich entsteht durch diese Doppelung eine interessante Intensität. Es ist, als ob sich die Figuren selbst dolmetschen, selbst erklären und noch kompetenter über sich selbst sprechen.
Überhaupt die Liebe. In meiner kleinen Bücher-Kolumne habe ich sie als grundlegende Übersetzungsmethode für diesen Text ausgemacht, denn das Deutsche stattet die Figuren mit einem besonderen, warmen Witz aus, zeichnet sie mit viel Liebe. Auch in Möhrings eigenem Roman, Vom Schweigen meines Übersetzers (Fahrenheit-Verlag 2008), geht es nicht nur um einen amerikanischen Schriftsteller, der in Deutschland seinem Übersetzer und seiner eigenen Familiengeschichte begegnet, sondern auch um das Übersetzen und Schreiben und die Liebe: „Liebe“, sagt er. „Wirst du deswegen Übersetzer? Vielleicht. Du hast eine Zeitlang im Ausland gelebt, die Lebensweise gefällt dir, die andere Art der Menschen, die Landschaft, das Klima, die Sitten und Gebräuche – die Sprache. Oder du liebst die Literatur eines Landes, einer Epoche, eines Milieus, wünschst dir einen weiteren Horizont – oder wenigstens eine andere Enge als die gewohnte. Wie kannst du, in der Form eines Berufs, deiner Liebe nahe blieben? Andere mag motivieren was will, aber du, Liebestäterin die du bist, kannst du die Liebe bewahren? Wenn du merkst, dass du mit deiner Arbeit keine Karriere machen kannst, kaum die Butter aufs Brot verdienst. Du sagst dir die Wichtigkeit deiner Arbeit vor: du bist Kulturvermittler, Völkerverbinder, was weiß ich. Du engagierst dich in deinem Berufsverband. Vielleicht gewinnst du ein bescheidenes Ansehen. Vielleicht nicht. Aber du musst den Alltag ertragen. Alle müssen das.“
Das klingt ziemlich ernüchternd, aber das Traumprojekt kam erst nach diesem Roman. In der Zeitschrift Übersetzen 01/13 haben übrigens Lektorin Karen Nölle und der Übersetzer über ihre enge Zusammenarbeit berichtet. Und für mich ist es auch diese besondere Konstellation, die Liebe zwischen Lektorat und Übersetzung, die Vor ihren Augen sahen sie Gott auch auf Deutsch so liebens- äh lesenwert macht.
Übrigens: Der Traum ist die Wahrheit, eine lange Nacht über Zora Neale Hurston von Daniela Kletzke und Hans-Ulrich Möhring demnächst im Radio, Deutschlandradio Kultur am 20.7.2013 von 0:05 Uhr bis 3:00 Uhr und Deutschlandfunk am 20.7. um 23:05 Uhr bis 21.7.2013 um 2:00 Uhr.

Mittwoch, 31. Oktober 2012

Katrina, Rita, Irene, Isaac, Sandy


Teile von New York und anderen Städten stehen unter Wasser, es gab Brände, unzählige Bäume sind umgestürzt, Menschen gestorben. 7,5 Millionen Menschen an der Ostküste waren ohne Strom, die Skyline in Manhattan im Dunkeln. In 16 Bundesstaaten sind Notunterkünfte des Roten Kreuzes eingerichtet. Die New York Times titelt, dass es Tage dauern wird, bis alles wieder normal läuft. Allein wie ein so gigantisches unterirdisches System wie die New Yorker U-Bahn (das sicher ohnehin nur funktioniert, weil es noch steinalt und mechanisch ist) wieder in Gang kommen soll, ist unvorstellbar. Noch dazu, wenn in den Tunneln immer noch das Wasser steht. Ich bin gern in New York und ich mag Washington und viele andere Orte, die betroffen sind.
Und doch dachte ich gestern kurz: „Jetzt sehen die mal, wie das ist.“ Und fragte mich gleich, wer genau sind „die“? Es sind natürlich nicht meine Freunde und Bekannten an der Ostküste, es sind nicht die Leute, die gestorben sind oder denen der Wind in Chelsea die Fassade zu ihren Wohnungen weggerissen hat. Aber dort, wo viele der Macher wirken, ist Sandy plötzlich einfach vor die Haustür gekommen und rückt ins Bewusstsein, was so ein Hurrikan bedeutet. Wie wichtig die FEMA (die Bundeskatastrophenbehörde) ist, die unter George Bush degradiert wurde, und die Mitt Romney weiter reduzieren und deren Verantwortung er den einzelnen Bundesstaaten auferlegen will. Dass Ausmaß und Häufigkeit von Naturkatastrophen zugenommen haben und der Zusammenhang mit der Erderwärmung ist so offensichtlich, dass sich Wissenschaftler eigentlich endlich nicht mehr für diese Erkenntnis erklären und verteidigen müssten. Manchen Republikanern gegenüber müssen sie das immer noch, und auch der liebenswürdige Obama ist in dieser wie auch in vielerlei anderer Hinsicht sehr zögerlich geworden.
Möge der Hurrikan all denjenigen, die über New Orleans und Louisiana den Kopf schütteln, ein Licht aufgehen lassen. Denen, die denken, dass nur Verlierer und Faulenzer in einer Gegend wohnen, die immer wieder überflutet. Dass diejenigen, die auf Häuserdächern, in Notunterkünften, auf Brücken, durch das Wasser watend gezeigt wurden, minderwertig und dumm oder vielleicht auch sündhaft sind und ihr Schicksal irgendwie verdient haben.
Viele Amerikaner schämen sich zutiefst für Katrina, sind schockiert, dass ihr Land eine Stadt und ihre Menschen so im Stich gelassen hat, dass so etwas in ihrem Land möglich war. Das höre ich, das lese ich immer wieder, auch bei den jetzigen Berichterstattungen wird der Vergleich zu Katrina gezogen.
Selbst in dem absurden, mit popkulturellen gespickten Zombieroman Brains von Robin Becker gibt es zum Schluss eine winzige Passage des, ja, Gedenkens an Katrina. Zombieprofessor Jack Barnes, der schreiben, aber nicht mehr sprechen kann, nähert sich mit seiner Gruppe denkender Zombies auf einem Boot dem Ufer, wo ein paar Soldaten und andere sie erwarten. Er hält ein Schild hoch: WE ARE YOU! (Wir sind ihr.) Sein Begleiter schlägt vor, die Soldaten anzusprechen:
 „... sobald sie wissen, dass ich sprechen kann, können sie uns nicht umbringen.
[Jack:] Ich traute dem Militär nicht. Ich dachte an Hurrikan Katrina. Die Amerikaner dort konnten sprechen. Die Amerikaner dort hatten genau wie ich Schilder hochgehalten. Auf Dächern gestrandet, von steigenden Fluten umgeben. Hilft uns, stand auf den Schildern. Rettet uns.“
(„...once they know I can speak, they can’t kill us.“
I didn’t trust the military. I remembered Hurricane Katrina. Those Americans could speak. In fact, those Americans held up signs just as I had. Stranded on rooftops, the floodwater rising. Help us, the signs said. Save us.)
Möge Hurrikan Sandy auch den letzten ein Licht aufgehen lassen.

Mittwoch, 29. August 2012

Stimmen aus dem Sturm

Meine Freundin Lil auf Facebook: vor 10 Stunden
Uns geht's gut. Wir sitzen den ganzen Tag herum und warten, dass der Wind stärker wird. Der Sturm ist nicht annähernd so schlimm, wie sie angekündigt hatten.
We're fine. We've been sitting around all day, waiting for the wind to pick up. The storm is not nearly as bad as they thought it would be.
Bill Lavender (der kürzlich aus Budgetgründen geschasste, von vielen geschätzte Direktor von UNO Press): vor 9 Stunden
Wie ich es liebe, wenn die Stadt heruntergefahren und stillgelegt wird, an Schulzonen die Ampeln auf die leeren Straßen blinken. Dann fällt der Strom aus und alles wird dunkel. Ich glaube, was uns wirklich trennt, ist nicht links gegenüber konservativ, sondern die Kluft zwischen denen, die sich nach diesen Momenten sehnen, und denen, die sie fürchten.
how I love it when the city shuts down, school zone lights blinking on empty streets. then the power goes off and all goes dark. i think the real division among us isn't liberal vs conservative but the gulf between those who yearn for these moments and those who fear them.
Schriftstellerin Moira Crone: vor 8 Stunden
Was die New Orleanser über Sturmzeiten für sich behalten: was für ein Wunder es ist. Der Strom geht, das elektrische Sirren verstummt, das Essen im Kühlschrank wird nur ein paar Tage halten, all der persönliche Kram ist eigentlich ein großes Hindernis für das spirituelle Überleben -- Wir müssen uns auf alte Lebensweisen zurückbesinnen, außerhalb unseres modernen Kokons -- Jetzt ist es die Güte von Freunden und in ein paar Tagen vielleicht die Güte Fremder, wir können es nicht wissen -- die uns weitermachen lässt. Das riesige, geraunte, Geheimnis -- unsere phänomenale Verwundbarkeit, das ganze Risiko des Am-Leben-Seins. Diese Stadt lehrt und lehrt und lehrt uns immer wieder -- (Ich muss los -- jetzt kommt der Wind, die Lichter werden schwächer...)
The thing New Orleanians keep to themselves about storm times: the wonder of it. The power leaves, the electric buzz dissolves, the food in the fridge is only going to last a few days, all your stuff is really a great impediment to your spirit's survival--We have to retreat to the old modes of living, outside the modern cocoon--now it's the kindness of friends, and in a few days, it might be the kindness of strangers, we don't know--that will keep us going. The vast, whispered, secret-- our phenomenal vulnerability, the whole risk of being alive. This place teaches and teaches and teaches us--(have to go--here comes the wind, there the lights dim...)
Hier ein paar Fotos von Menschen im Sturm, tagsüber, und auf diesen Live-Webcams kann man im Moment meditative Regen- und Nachtbilder sehen (solange der Strom nicht ausfällt): am French Quarter, an der Mississippi-Brücke, am Fluss.
Erste Nachrichten melden überflutete Straßen und auf Stromleitungen geknickte Bäume. Im Landkreis Plaquemines Parish ist das Dach des Hauses von Landkreispräsident Billy Nungesser abgedeckt worden.

Dienstag, 28. August 2012

Warten auf Isaac


New Orleans und die Golfküste bereiten sich auf den großen Sturm vor. Hier ein kleines Video von den Winden am Lake Pontchartrain heute morgen. Jetzt heißt es abwarten, hoffen, dass man gut vorbereitet ist, die Fenster ordentlich vernagelt und das Wichtigste eingekauft hat. Manche Leute gehen der Gefahr gleich aus dem Wege und fahren zu Freunden und Verwandten nach Norden. Andere bleiben immer zurück und bringen den Sturm zu Hause hinter sich („ride out the storm“ nennt man das), und von diesen laden einige zu Hurrikan-Parties ein, vor allem im French Quarter, bei denen man der Bedrohung einfach mit Ausschweifung trotzen kann. 
Gwen Thomkins berichtete gerade im Radio (auf Talk of the Nation), dass es auch ein Moment der Besinnung ist, wo man zum Beispiel überlegt, wen man überhaupt auf die lange Evakuation im Auto mitnehmen würde. Man überlegt, ob die Papiere in Ordnung sind, legt die Versicherungspolice heraus, den Pass und anderes. Man entscheidet, welche Dinge man unbedingt retten will. Im Fall von Gwen Thomkins ist es ein signiertes Exemplar von Louis Armstrongs Autobiographie My Life in New Orleans, genau dem Buch, in dem ich (als Kind, auf Deutsch) zum ersten Mal über New Orleans gelesen habe. Möge Isaac sanft über New Orleans und die Golfküste hinweggehen.

Montag, 27. August 2012

Das Herz...

...ist mir schwer, liebe Leser. Zum siebenten Jahrestag von Katrina steuert Hurrikan Isaac auf New Orleans zu und soll vermutlich am Dienstag auftreffen. Gouverneur Jindal hat bereits Warnungen ausgesprochen, Bürgermeister Landrieu den Notstand ausgerufen und alle Bürger aufgefordert, ihre Häuser sturmfest zu machen. Alle Pumpstationen in der Stadt werden rund um die Uhr besetzt sein, das Army Corps of Engineers wird letzte Ausbesserungen an den Deichen vornehmen. Die küstennahen Landkreise sind bereits von Zwangsevakuationen betroffen. Derzeit ist die Rede von Kategorie 1 (gegenüber 5 bei Katrina), aber je nachdem, ob er während Flut oder Ebbe anlandet, kann das Wasser bis zu knapp 20 Kilometer ins Landesinnere vordringen. Hoffen wir das Beste.

Sonntag, 26. August 2012

Das Ozonloch


Vor einigen Jahren, als wir noch eine Diskussion um die Klimakatastrophe und das Ozonloch hatten, da versprach man uns hier die Versteppung Brandenburgs (und damit auch Berlins) und ein italienisches Klima. Bis jetzt hat das noch nicht so ganz geklappt, und die Sommer fallen eher frisch aus.
Die USA wiederum werden von einer Hitzewelle nach der anderen überrollt. So wie unser Aprilwetter hier im Sommer ist die Hitze dort anscheinend eine direkte Auswirkung des Klimawandels.
Auf den immer früher einsetzenden Frühling werden zum Beispiel die Brände zurückgeführt, die vor allem im Westen der USA wüten, vor kurzem noch in Arizona und Colorado, jetzt vor allem in Nordkalifornien und Idaho. Dieses Jahr ist bei 1423 Waldbränden im Lande bereits eine Fläche von mehr als 12.065 Quadratmeilen (d.h. ca. 31.250 Quadratkilometer) abgebrannt. Mehr auf der Seite des Forest Service des US Department of Agriculture (Landwirtschaftsministerium).
Ein anderes Problem, das ebenfalls auf milde Winter und den frühen Frühling zurückgeführt wird, ist der Westnilvirus, der auch in Louisiana gehäuft auftritt. Dieses Jahr sind bereits 1118 Menschen durch Infektion damit erkrankt (Meningitis, Enzephalitis usw.) und 41 insgesamt sind gestorben. 75% der Erkrankungen traten in 5 Staaten auf: Texas, Mississippi, Louisiana, South Dakota und Oklahoma), fast die Hälfte aller Fälle in Texas. In Louisiana gab es bisher 6 Todesopfer. Gegen den Virus hat man vor einigen Wochen in Dallas aus der Luft Mückenmittel versprüht, nicht ganz unumstritten. 
Mich erinnerte das an die kleinen Transporter, die in Baton Rouge im Frühjahr und Sommer immer durch mein mit hohen Bäumen bestandenes Wohnviertel fuhren und Insektentod versprühten. Auch vielleicht nicht gesund, aber wirksam. Das Center for Disease Control empfiehlt verschiedene Mücken abweisende Wirkstoffe, von denen ich unter den von der Stiftung Warentest geprüften und für gut befundenen Produkten nur DEET gefunden habe, was auch Gesundheitsrisiken birgt. Also am besten: drinnen aufhalten, langarmige Sachen tragen, stehendes Wasser und andere Mückenbrutplätze beseitigen.
Die Erwärmung hat auch dazu geführt, dass der Mississippi so einen niedrigen Wasserstand hat wie nie und weiter nördlich unweit von Greenville, Mississippi, nicht schiffbar ist, so dass sich dort Mitte des Monats 97 Schiffe angestaut hatten, nachdem ein Schleppkahn auf Grund gelaufen war. (Hier.) Wenn aber der Mississippi niedrig steht und weniger Wasser in den Golf von Mexiko einströmt, dann fließt Salzwasser aus dem Golf in den Mississippi zurück, dessen unterer Lauf unter dem Meeresniveau liegt, und zwar um ungefähr eine Meile pro Tag (1,6 km). Normalerweise kommt das alle 8-10 Jahre vor, aber dass es jetzt scheinbar häufiger wird, hat auch damit zu tun, dass die Fahrrinne des Flusses weiter nördlich immer mehr tiefer ausgehoben wird, um größeren Schiffen die Durchfahrt zu ermöglichen. Neben anderen negativen Auswirkungen beeinträchtigt das auch die Trinkwassergewinnung.
Plaquemines Parish, die direkt an den Golf grenzt und von diversen Hurrikanen (Katrina, Rita, Gustav und mehr) und der Ölkatastrophe direkt betroffen war, kauft jetzt Trinkwasser aus New Orleans, holt aber auch in Schleppkähnen weiter nördlich welches. Jetzt ist auch New Orleans bedroht. (Hier.)
Außerdem hat Hurrikan Isaac Kuba und Haiti überquert und ist jetzt auf dem Weg nach Südflorida mit den Key-Inseln (darunter Key West), bevor er sich weiter in Richtung Golfküste aufmacht. (Hier.) Aktuelle Evakuationsrouten für New Orleans sind schon festgelegt.
Insofern sollte ich wohl froh sein, mitten im August zwar mit dicken Socken und Strickjacke aber eben doch ganz entspannt und unbedroht von Naturkatastrophen hier am Schreibtisch sitzen zu dürfen.

Montag, 28. Mai 2012

Memorial Day Weekend

Heute ist in den USA Memorial Day, ein Feiertag, der seit dem amerikanischen Bürgerkrieg an die für das Vaterland gefallenen Soldaten erinnert. Für die meisten Amerikaner bedeutet er, jedes Jahr am letzten Montag im Mai, endlich wieder einmal ein verlängertes Wochenende, an dem man den Sommer einläutet, mit Picknicks und Ausflügen.
Von New Orleans aus fährt man zum Beispiel 3-4 Stunden östlich nach Pensacola, Florida, um dort die weißen Strände, das türkisfarbene Wasser und die Erholungsindustrie zu genießen, und auch das irgendwie Spanische, von dem man in Louisiana weniger hat. Oder man fährt noch eine Stunde weiter nach Santa Rosa Island, einem noch erhaltenen Naturschutzgebiet, wo man die großen Hotelkomplexe am Horizont nur erahnt.
Auch Louisiana hat eine Golfküste, aber die löst sich in Marschen und Wasser auf (hier) und schwindet jedes Jahr und bei einem Hurrikan um so mehr. Auf Grand Isle gibt es Strände, doch die sind nicht weiß, das Wasser eher taubenblau, und auf der anderen Seite der Insel wird, nur für wenige Touristen attraktiv, Öl raffiniert. Seit der BP-Ölkatastrophe mag das alles noch anders aussehen.
Memorial Day markiert auch den Beginn der Hurrikansaison, die vom 1. Juni bis 30. November dauert. Jetzt gibt es neben dem Wetterbericht immer auch Nachrichten des National Hurricane Center über Stürme, tropische Depressionen, gefährliche Strömungen, die alle einen Vornamen erhalten und mit Radarbildern angezeigt werden. Die meisten Hurrikane im Atlantik fallen allerdings in die Zeit von August bis Oktober.
Für einige ist der Tag wichtig, weil ungeschriebene Modediktate vorsehen, dass man erst ab Memorial Day weiße Hosen beziehungsweise weiße Schuhe tragen darf, auf keinen Fall vorher, und dann auch nur bis Labor Day (dem ersten Montag im September) – alles andere wäre ein Mode-GAU, wie ich ihn für einen sehr modebewussten Freund einmal ausgelöst habe. Bei uns ist heute Pfingstmontag und weil meine weiße Hose nach dem langen Winter noch ein bisschen klemmt, trage ich sowieso lieber Rock. 

Montag, 19. März 2012

Randy Newman

Der Komponist Randy Newman gab letzte Woche ein Konzert im Berliner Admiralspalast. Er ist eigentlich eher der Mann hinter den Kulissen, der tolle Stücke schreibt, die dann in Versionen von anderen Musikern bekannt werden, oder er komponiert die Filmmusik, die wohl vor allem auffallen würde, wenn sie nicht da wäre. So ähnlich verhält es sich vielleicht mit seiner zweiten Heimat New Orleans, denn Randy Newman ist zwar aus Kalifornien, aber dass er die Sommer seiner Kindheit in NOLA verbrachte und auch heute oft dort ist, ist wohl weniger bekannt.
Der Disney-Trickfilm The Princess and the Frog (Auf Deutsch: Küss den Frosch, 2009), für den er die Filmmusik komponierte, spielt in New Orleans und zwei Stücke daraus, so „Down in New Orleans“, wurden für einen Oskar nominiert. Hier noch einmal mit etwas tieferer Stimme er selbst.
Nach Hurrikan Katrina wurde sein Lied „Louisiana 1927“ von seinem Album Good Old Boys (1974) wieder oft gespielt. Darin geht es um eine zerstörerische Flut von 1927, die wegen bestimmter, möglicherweise politisch motivierter Entscheidungen immer noch umstritten ist. Damals sollen 700.000 Menschen in Louisiana und Mississippi obdachlos geworden sein. Auf dem Benefiz-Album Our New Orleans ist das Stück mit den Louisiana Philharmonikern und einigen Musikern aus New York eingespielt. Bekannt ist es auch in einer Version von Aaron Neville.
Schon am 9. September 2005, als die Überflutungen in New Orleans noch in vollem Gange waren, interviewte NPR ihn zu diesem Stück. Die Interviewerin fragte ihn unter anderem, woran es liege, dass Louisiana so sehr zur „dreamscape of the American mind“ (die Traumlandschaft der Amerikaner) geworden ist. „Es ist anders,“ meinte er, "sorglos, unachtsam" und andere Dinge, die schon oft gesagt wurden. Und er sagte auch: „It’s not a place to get your car fixed.“ (Kein Ort, wo man sein Auto reparieren lässt.), weil dort eben alles etwas uneffektiver sei. 
Ob das ganz genau so stimmt oder ob da nicht auch ein bisschen Mythos wieder beschworen wird, kann ich nicht genau sagen. Aber in der Tat: Auch ich habe mein Auto nie in New Orleans reparieren lassen. Gestorben ist es dann bei einer Fahrt nach Baton Rouge an einem festgefahrenen Motor, zum Glück, nachdem ich die langen Brücken über die Sümpfe schon überquert hatte. Ein liebenswerter, kleiner blauer Toyota namens Tamiko...

Samstag, 3. September 2011

+++Sturmwarnung+++Sturmwarnung+++Sturmwarn

Es ist Hurrikansaison, noch bis November. Eine Tropische Depression vor Louisiana wurde gestern zu einem Tropischen Sturm namens Lee aufgewertet, eine Stufe vor einem Hurrikan, und macht sich jetzt schon mit heftigen Regenfällen bemerkbar. Die Ölplattformen vor der Küste werden evakuiert, die Einwohner von New Orleans sind aufgerufen, ihre Autos sicher zu parken und überhaupt Vorkehrungen zu treffen. Man recht mit bis zu 20 Inches (ca. 50 Zentimeter) Regen.