Mittwoch, 31. Oktober 2012

Katrina, Rita, Irene, Isaac, Sandy


Teile von New York und anderen Städten stehen unter Wasser, es gab Brände, unzählige Bäume sind umgestürzt, Menschen gestorben. 7,5 Millionen Menschen an der Ostküste waren ohne Strom, die Skyline in Manhattan im Dunkeln. In 16 Bundesstaaten sind Notunterkünfte des Roten Kreuzes eingerichtet. Die New York Times titelt, dass es Tage dauern wird, bis alles wieder normal läuft. Allein wie ein so gigantisches unterirdisches System wie die New Yorker U-Bahn (das sicher ohnehin nur funktioniert, weil es noch steinalt und mechanisch ist) wieder in Gang kommen soll, ist unvorstellbar. Noch dazu, wenn in den Tunneln immer noch das Wasser steht. Ich bin gern in New York und ich mag Washington und viele andere Orte, die betroffen sind.
Und doch dachte ich gestern kurz: „Jetzt sehen die mal, wie das ist.“ Und fragte mich gleich, wer genau sind „die“? Es sind natürlich nicht meine Freunde und Bekannten an der Ostküste, es sind nicht die Leute, die gestorben sind oder denen der Wind in Chelsea die Fassade zu ihren Wohnungen weggerissen hat. Aber dort, wo viele der Macher wirken, ist Sandy plötzlich einfach vor die Haustür gekommen und rückt ins Bewusstsein, was so ein Hurrikan bedeutet. Wie wichtig die FEMA (die Bundeskatastrophenbehörde) ist, die unter George Bush degradiert wurde, und die Mitt Romney weiter reduzieren und deren Verantwortung er den einzelnen Bundesstaaten auferlegen will. Dass Ausmaß und Häufigkeit von Naturkatastrophen zugenommen haben und der Zusammenhang mit der Erderwärmung ist so offensichtlich, dass sich Wissenschaftler eigentlich endlich nicht mehr für diese Erkenntnis erklären und verteidigen müssten. Manchen Republikanern gegenüber müssen sie das immer noch, und auch der liebenswürdige Obama ist in dieser wie auch in vielerlei anderer Hinsicht sehr zögerlich geworden.
Möge der Hurrikan all denjenigen, die über New Orleans und Louisiana den Kopf schütteln, ein Licht aufgehen lassen. Denen, die denken, dass nur Verlierer und Faulenzer in einer Gegend wohnen, die immer wieder überflutet. Dass diejenigen, die auf Häuserdächern, in Notunterkünften, auf Brücken, durch das Wasser watend gezeigt wurden, minderwertig und dumm oder vielleicht auch sündhaft sind und ihr Schicksal irgendwie verdient haben.
Viele Amerikaner schämen sich zutiefst für Katrina, sind schockiert, dass ihr Land eine Stadt und ihre Menschen so im Stich gelassen hat, dass so etwas in ihrem Land möglich war. Das höre ich, das lese ich immer wieder, auch bei den jetzigen Berichterstattungen wird der Vergleich zu Katrina gezogen.
Selbst in dem absurden, mit popkulturellen gespickten Zombieroman Brains von Robin Becker gibt es zum Schluss eine winzige Passage des, ja, Gedenkens an Katrina. Zombieprofessor Jack Barnes, der schreiben, aber nicht mehr sprechen kann, nähert sich mit seiner Gruppe denkender Zombies auf einem Boot dem Ufer, wo ein paar Soldaten und andere sie erwarten. Er hält ein Schild hoch: WE ARE YOU! (Wir sind ihr.) Sein Begleiter schlägt vor, die Soldaten anzusprechen:
 „... sobald sie wissen, dass ich sprechen kann, können sie uns nicht umbringen.
[Jack:] Ich traute dem Militär nicht. Ich dachte an Hurrikan Katrina. Die Amerikaner dort konnten sprechen. Die Amerikaner dort hatten genau wie ich Schilder hochgehalten. Auf Dächern gestrandet, von steigenden Fluten umgeben. Hilft uns, stand auf den Schildern. Rettet uns.“
(„...once they know I can speak, they can’t kill us.“
I didn’t trust the military. I remembered Hurricane Katrina. Those Americans could speak. In fact, those Americans held up signs just as I had. Stranded on rooftops, the floodwater rising. Help us, the signs said. Save us.)
Möge Hurrikan Sandy auch den letzten ein Licht aufgehen lassen.

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