In den letzten Wochen sind in New Orleans vier Konföderiertendenkmäler abgebaut worden, und das ist – natürlich – eine große Sache, ein Ding, das die Gemüter bewegt.
Die ersten drei wurden in Nacht-wenn-auch-ohne-Nebel-Aktionen abgebaut, das letzte vor ein paar Tagen bei vollem Tageslicht. Das erste war ein Marmor-Obelisk, der an einen Aufstand der weißen Liga (Battle of Liberty Place) gegen die Regierung von Louisiana 1874 erinnert (zu der Zeit war New Orleans die Hauptstadt von Louisiana) und ist besonders für weiße Suprematisten von Bedeutung. Die anderen Denkmäler standen an prominenteren Stellen und erinnerten an den Amerikanischen Bürgerkrieg: an Konföderiertenpräsident Jefferson Davis, an Konföderiertengeneral P.G.T. Beauregard (eine Reiterstatue inmitten eines Kreisverkehrs vor dem City Park) und das letzte und wohl bekannteste und dabei ästhetisch nicht besonders gelungene Denkmal an General Robert E. Lee, auch aus der Mitte eines Kreisverkehrs, dem geschäftigen Lee Circle an der St. Charles Avenue. Vor allem letztere Aktion wurde von den Medien intensiv begleitet und dokumentiert (hier). Es gab Proteste, von Gegnern, darunter auch weiße Suprematisten und angereiste Geschichtsfans, und Befürwortern. Aber Fotos zeigen auch Gespräche und Händedrücke zwischen beiden Seiten.
Bürgermeister Mitch Landrieu (Demokrat) hatte den Vorschlag im Juli 2015 in den Stadtrat eingebracht. Zu Bewegung in den Umgang mit Konföderiertensymbolen war es gekommen, nachdem 2015 ein junger weißer Rassist in der Emanuel African Methodist Episcopal Church in Charleston, South Carolina, neun afroamerikanische Gemeindemitglieder erschossen hatte und - auch weil er mit der Konföderiertenfahne gepost hatte - die Fahne vor dem State Capitol in South Carolina entfernt wurde. Gegen-Bewegung gegen den Abbau der Denkmäler in New Orleans gab es jetzt auf bundesstaatlicher Ebene, wo Louisiana jetzt ein Gesetz gegen die Entfernung von Kriegsdenkmälern verabschiedet hat. In der Diskussion darüber sagte die weiße Abgeordnete Brenda O’Brock aus Shreveport zu der afroamerikanischen Abgeordneten Patricia Smith aus Baton Rouge: „You need to get over it.“ (hier)
New Orleans war nur 15 Monate lang Teil der Konföderation und ist auch nach Hurrikan Katrina eine vorwiegend afroamerikanische Stadt. Trotzdem sehen manche die Aktion als politische Vereinnahmung einer langen Kampagne durch Mitch Landrieu, der, wie gemunkelt wird, für 2020 Präsidentschaftsambitionen hegen könnte. Jetzt hat er erst einmal eine bewegende Rede gehalten (hier), die ein New-York-Times-Kommentator als Musterbeispiel der Eloquenz vor allem in der heutigen Zeit hervorhebt: „Words, like monuments, matter. They nudge. They shape.“ (Worte, wie Denkmäler, bedeuten etwas. Sie geben einen Stups. Sie formen.“ (hier)
Als ich zuerst über das alles gelesen habe, war da so ein kleiner Stich im Herzen. Es wird die Stadtlandschaft sehr verändern. Doch ich bin überzeugt, dass es richtig ist. Mein Freund Rex Rose schrieb auf Facebook: „If removal of the monuments WOULD work to bring the city together like it has never been before, would you still be against it? Ask yourself this, also: If you were black in New Orleans, living under Confederate monuments energetically defended by large portions of the white population, would you care to work together with that community with your full energy? Personally, I think I would simply write off anything the white power structure said as bunk and try to get over on it the best way I could.“*
Und was jetzt? Rex Rose hat ein Denkmal für Allen Toussaint vorgeschlagen, den legendären Musiker, Komponisten, Impressario und Gentleman, der 2015 plötzlich gestorben ist. Gute Idee, wird aber ein bisschen dauern und muss vielleicht nicht genau dahin, wo die anderen standen. Eigentlich bin ich da ganz bei dem New Orleanser Autor Jed Horne: Die Podeste sollten stehen bleiben – leer. Denn, so schreibt er, damit würde man an den Kampf und die Kontroverse um die Entfernung der Denkmäler erinnern, die jetzt genauso Teil des kulturellen und geschichtlichen Erbes der Stadt sind wie die Denkmäler und das, wofür sie standen. Beredte Leerstellen wären das.
Abtransport der Statue von General Lee
Foto von Wikipedia
By Abdazizar - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=59102981
* Übersetzung: "Wenn Die Entfernung der Denkmäler helfen WÜRDE, die Stadt zusammenzubringen wie nie zuvor, wärt Ihr dann immer noch dagegen? Fragt Euch doch auch mal das: Wenn Du in New Orleans Schwarzer wärest und unter den Konföderiertendenkmälern leben müsstest, die von großen Teilen der weißen Bevölkerung heftig verteidigt werden, hättest Du dann Lust mit ganzer Kraft mit diesem Teil der Bevölkerung mit aller Kraft zusammenzuarbeiten? Ich persönlich würde wahrscheinlich alles, das die weiße Machtstruktur sagt, als Quatsch abtun und würde versuchen, so gut es geht darüber hinwegzukommen."

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Donnerstag, 25. Mai 2017
Montag, 7. September 2015
10 Jahre nach Katrina
Wie ein Hurrikan sind die Katrina-Erinnerungsartikel, -filme und andere Beiträge über uns hinweggezogen. Aus der Flut möchte ich zwei Sendungen empfehlen, die mich berührt haben. Auf Arte noch ein paar Tage lang zu sehen ist ein sehr aktueller Dokumentarfilm Only New Orleans, in dem es um damals und heute geht. Es kommen viele Musiker zu Wort, u.a. auch Davis Rogan, das Vorbild für die von Steve Zahn gespielte Rolle des Davis McAlary in der Serie Treme, Irma Thomas, Familienmitglieder der Andrews/Hill-Dynastie, von denen Trombone Shorty vielleicht der bekannteste und kommerziell erfolgreichste ist, und -- wie immer der vollendete Gentleman -- der große Allen Toussaint, der berichtet, dass die Zeit nach Katrina ihm auch Chancen eröffnet hat. Vom Mann hinter den Kulissen, dem Komponisten und Produzenten, hat er sich nämlich zum Performer entwickelt, der auch selbst mit seinen Liedern auftritt. Gezeigt werden übrigens auch Bilder aus der Ninth Ward, u.a. des Make It Right NOLA-Projekts von Brad Pitt, über das ich kürzlich gelesen habe, dass viele der Entwürfe doch nicht gebaut wurden, weil sie zu teuer waren und das erforderliche Geld nicht aufgetrieben werden konnte. Aber das Viertel wiederbelebt und aufgewertet hat das Projekt allemal. Der Film wurde erst in diesem Sommer fertiggestellt. Ich kenne den Ausspruch übrigens als "Only in New Orleans".
Dann habe ich auf NPR noch eine Folge von This American Life gehört, Nr. 565, Lower 9 +10. Darin geht es um die völlig zerstörte und weggeschwemmte Lower Ninth Ward, deren Bilder damals um die Welt gingen. Thematisiert wird, dass die Bewohner sich dagegen verwahrt haben, dass die Reisebusse zum Gaffen durch ihr Viertel fuhren, und es geht um alte und neue Bewohner, z.B. einen Postangestellten, der ein Cafe mit Kopierladen und anderen Dingen eröffnet hat, um das Viertel wieder zu beleben, um das Ringen einer zugezogenen jungen weißen Familie um Akzeptanz, um Anklänge an einen früheren Hurrikan von 1927, bei dem auch ein Viertel geopfert wurde, um die Innenstadt zu retten. Für mich am beeindruckendsten war die letzte kleine Geschichte um einen jungen Mann, der damals 23 war und seitdem versucht hat, seinen besten Freund von damals wiederzufinden, Samuel, von dem er hofft, dass er noch lebt. Wie durch ein Wunder bringen die Radioleute die beiden per Telefon wieder zusammen. Beide sind sehr bewegt, beide hatten gehofft und nacheinander gesucht, und man hört die alte Vertrautheit und Zuneigung in ihren Stimmen. In ihrer Sprache aber hört man auch die Welten, die sich inzwischen zwischen ihnen aufgetan haben. Der eine ist in New Orleans geblieben und klingt wie jemand von der Straße, und der andere lebt nach einer Odyssee in einem anderen Bundesstaat und hört sich sehr erwachsen und gebildet an. Auch das hat also der Hurrikan gemacht. Verlinkt ist auch eine frühere Sendung, die vor zehn Jahren gleich nach dem Unglück aufgenommen und gesendet wurde.
Dann habe ich auf NPR noch eine Folge von This American Life gehört, Nr. 565, Lower 9 +10. Darin geht es um die völlig zerstörte und weggeschwemmte Lower Ninth Ward, deren Bilder damals um die Welt gingen. Thematisiert wird, dass die Bewohner sich dagegen verwahrt haben, dass die Reisebusse zum Gaffen durch ihr Viertel fuhren, und es geht um alte und neue Bewohner, z.B. einen Postangestellten, der ein Cafe mit Kopierladen und anderen Dingen eröffnet hat, um das Viertel wieder zu beleben, um das Ringen einer zugezogenen jungen weißen Familie um Akzeptanz, um Anklänge an einen früheren Hurrikan von 1927, bei dem auch ein Viertel geopfert wurde, um die Innenstadt zu retten. Für mich am beeindruckendsten war die letzte kleine Geschichte um einen jungen Mann, der damals 23 war und seitdem versucht hat, seinen besten Freund von damals wiederzufinden, Samuel, von dem er hofft, dass er noch lebt. Wie durch ein Wunder bringen die Radioleute die beiden per Telefon wieder zusammen. Beide sind sehr bewegt, beide hatten gehofft und nacheinander gesucht, und man hört die alte Vertrautheit und Zuneigung in ihren Stimmen. In ihrer Sprache aber hört man auch die Welten, die sich inzwischen zwischen ihnen aufgetan haben. Der eine ist in New Orleans geblieben und klingt wie jemand von der Straße, und der andere lebt nach einer Odyssee in einem anderen Bundesstaat und hört sich sehr erwachsen und gebildet an. Auch das hat also der Hurrikan gemacht. Verlinkt ist auch eine frühere Sendung, die vor zehn Jahren gleich nach dem Unglück aufgenommen und gesendet wurde.
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