Posts mit dem Label Edgar Degas werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Edgar Degas werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 31. Mai 2012

Art and Press

Am Wochenende habe ich mir im Berliner Martin-Gropius-Bau Kunst angesehen: Pacific Standard Time. Kunst in Los Angeles 1950-1980 und eine Ausstellung mit dem Titel ArtandPress Kunst. Wahrheit. Wirklichkeit.
Zu dieser heißt es in der Ankündigung: „Die Zeitung ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts Material und Gegenstand der Kunst“. 56 internationale Künstler haben dazu Position bezogen. Das nahm ganz unterschiedliche Formen an: zusammengeschnürte Packen Zeitungen, die in den Ecken herumlagen, ein iranisch-französischer Künstler hatte stapelweise kleine Teppiche wie in einem Teppichladen ausgelegt, von denen die oberen Titelblätter verschiedener Illustrierter darstellten. Ein ganzer Raum, vor allem auch der Fußboden, war mit vielfach vergrößerten Zeitungsartikeln zum Thema Migration ausgelegt. Zeitungen waren zerknüllt, wehten im Windzug eines Ventilators, zu Collagen verarbeitet, in Skulpturen integriert – Zeitungen in allen Formen.
Auf der Galerie war eine Seite der Bild-Zeitung gezeigt und wenn man sie mit dem bereitstehenden Tablet anvisierte, dann lief dazu ein Videonachrichtenbeitrag. Auch auf der Galerie hingen Tablet-Computer an kleinen Säulen die jeweils ein historisches Gemälde zeigten: von Honoré Daumier über Otto Dix und Max Beckmann, George Grosz, Georges Bracque bis zu Edgar Degas’ Bild von der Baumwollbörse in New Orleans.
Es ist das stimmungsvolle Bild, wo inmitten eifrigen Treibens ein Mann sitzt und mit ausgebreiteten Armen in aller Ruhe eine Zeitung liest (deren Titel so nicht zu erkennen ist), wie man eben so Zeitung liest. An welchem Wochentag Degas das Bild gemalt hat, wissen wir nicht und es auch nicht so wichtig, denn 1873 hatte New Orleans noch eine Tageszeitung. Doch würde jemand ab Herbst ein solches Bild malen wollen, dann könnte er am Montag, Dienstag, Donnerstag oder Sonnabend nur jemanden mit einem iPhone oder einem Tablet oder einem Computer darstellen. Genau auf diese Entwicklung sollten übrigens die Tablets mit den Darstellungen der klassischen Werke verweisen und sie haben eine wichtige Funktion, aber die alte Kulturform der Zeitung (und andere) kann es nicht ersetzen.
Und es geht vieles verloren: Der Moment, wenn man im Morgenmantel auf die Veranda tritt, um die in eine Plastefolie gerollte Zeitung zum Frühstück reinzuholen, die ein Zeitungsjunge in aller Herrgottsfrühe dort hinauf geschleudert hat. Mit einem Tablet kann man nicht furchtlos frühstücken, den Kaffee nicht darauf abstellen, das Kreuzworträtsel oder Sudoku nebenbei lösen, nicht zu Ende gelesene Artikel herausreißen oder zusammenfalten und mitnehmen. Man würde nicht mehr verführt werden, ungezielt Dinge zu lesen, die auch mit auf der Seite sind, Kolumnen, kleine lokale Ankündigungen, Nachrufe. Das vertraute Layout, das Papier, den Geruch genießen. Man kann Tablets nicht im Café auslegen und damit Atmosphäre schaffen, man kann sie nicht in der Bahn liegen lassen, danach im Papierkorb suchen, man kann keine Bücher darin einschlagen oder die Schränke damit auslegen. Wie sollen Erpresser ihre Nachrichten verfassen, wenn nicht aus Zeitungsbuchstaben, worin sollten sich Obdachlose einhüllen, wie sich in der Bahn damit ein paar Mark verdienen? Und eine solche Ausstellung würde dann nur noch virtuell sein, ein wirres Flimmern, nichts zum Anfassen.
Eine Stadt, die ihre lebendige Kultur durch viel Unbill hindurch gerettet hat, soll bald keine Tageszeitung mehr haben, die Teil dieser Kultur ist? Und noch dazu eine, die von 60% der Bewohner gelesen und geschätzt wird? Und wieder soll das anderswo von Nichteinheimischen verfügt und durchgezogen werden? Rettet die Times-Picayune!

Freitag, 9. März 2012

Maler: Degas, Long

Der berühmteste Maler von New Orleans ist vermutlich Edgar Degas (1834-1917). Genau, der Edgar Degas, der impressionistische Maler mit den graziösen, federhaften Tänzerinnen. Seine Mutter stammte aus New Orleans und so nannte er sich selbst einen „fils de Louisiane“ (Sohn Louisianas). Degas kam im Herbst 1872 nach New Orleans und verbrachte fünf Monate hier, in denen es ihm gelang, eine künstlerische Krise zu überwinden. Dabei soll er auch die spätere Schriftstellerin Kate Chopin kennengelernt haben. Heute erinnern noch das Café Degas und das Degas House (ein exklusives Bed & Breakfast, wo man wohl auch heiraten kann) auf der Esplanade Avenue an ihn. Eines seiner berühmtesten Gemälde ist Le bureau de coton à la Nouvelle Orléans (Die Baumwollbörse von New Orleans) von 1873.
Möglicherweise inzwischen ein „Sohn von New Orleans“ ist der Maler Mitchell Long (*1964), mit dem ich befreundet bin. Ursprünglich aus Florida stammend und in Philadelphia u.a. ausgebildet, lebt er seit Mitte der neunziger Jahre in Louisiana und seit ca. 2000 in New Orleans. Seine kraftvollen, kühnen und durchaus impressionistischen Landschaften, Stadtlandschaften und Küchenbilder bewegen mich immer wieder. Ihre Fluidität, ihr Leuchten, ihre Wärme erinnern mich an die Fluidität, das Leuchten, die Wärme von New Orleans. 
Ich habe das Glück, einige Longs zu besitzen, und wenn man im Haus meiner Eltern die Treppe hinaufsteigt, nähert man sich einer Impression von Bayou St. John mitten in New Orleans, wo in den Häusern bei Hurrikan Katrina auch tagelang das Wasser stand. Auch Mitchell hat in den Fluten viele seiner Arbeiten, Dokumente und Materialien verloren. Auf Facebook zeigt der Künstler seine jeweils neusten Werke und auf seiner Webseite kann man sie auch kaufen. So berühmt wie Edgar Degas wird Mitchell vielleicht nicht, aber zu New Orleans gehört er für mich mindestens genau so sehr.