Sonntag, 5. Januar 2014

Treme -- das Ende

Ende Dezember lief die letzte, eine halbe, Staffel der Fernsehserie Treme, die jetzt 38 Monate später wieder einsetzt. Die Serie spielt ja in der Zeit nach Hurrikan Katrina, vor allem in dem historischen kreolischen Viertel Treme gleich neben dem French Quarter, das jetzt hübsch gentrifiziert wird, wie ich bei meinem letzten Besuch beobachten konnte.
Es ist eine Serie, in der die Stadt, New Orleans, die sehr kantige Hauptrolle spielt und die Musik die Ecken wieder glättet. Der Times-Picayune-Filmkritiker Dave Walker stellte sich vor (in diesem Artikel), wie die Filmemacher David Simon und Eric Overmyer (bekannt für The Wire) dem Sender HBO ihr Serienkonzept vorgestellt haben mögen (die Figurennamen in Klammern sind von mir):
-- Eine unserer Hauptfiguren ist ein ruppiger R&B-Musiker, der immer wieder Probleme mit seiner Vaterrolle hat. Er spielt Posaune. (Wendell Pierce als Antoine Batiste)
-- Eine andere Figur ist ein Schwarzer, der sich selbst als Indian(er) bezeichnet und sich für Straßenumzüge als eine Art Las-Vegas-Showgirl verkleidet, zum Beat von afrikanischen Trommeln. In jeder Staffel zeigen wir das in einer Folge. Die übrige Zeit näht er. (Clarke Peters als Albert Lambreaux)
-- Eine weitere Figur ist ein Universitätsprofessor und Schriftsteller mit Schreibblockade, der seine Wut über das Internet herauslässt. Er wird von einem Film. und Fernsehstar gespielt, aber wir lassen ihn gleich nach Mardi Gras sterben. (John Goodman als Creighton Bernette) Seine Frau ist Anwältin und vertritt Leute, die sie nicht bezahlen können. (Melissa Leo als Toni Bernette)
-- Der bestaussehende junge Mann unter den Figuren ist garstig zu Wiederaufbaufreiwilligen und misshandelt die liebe junge Frauenfigur. Er hat auch ein Drogenproblem. (Michiel Huisman als Sonny, Lucia Micarelli als Annie)
-- Wir bringen die Zuschauer dazu, Steve Zahn zu hassen. (als Musikmöchtegernimpressario Davis McAlary)
-- Khandi Alexander verbringt die ganze erste Staffel damit, ihrem Bruder nachzuspüren, der im post-Katrina-Gefängnissystem verschollen ist, das Kafka das Fürchten gelernt hätte. Dann findet sie bei den Emmy Awards keine Beachtung. Die folgenden Staffeln werden noch viel schlimmer für sie.
-- Wir haben eine Köchin, die einen Hubig's Pie aufmotzen und als hohe Kochkunst präsentieren kann... Die meiste Zeit ist sie nicht in der Stadt. (Kim Dickens als Janette Desautel)
-- Wir machen Hunderte von Anspielungen auf Dinge wie Hubig's Pies und Leute wie Dave Bartholomew und erklären sie nicht.
-- Es gibt mehrere tolle Beerdigungen.
-- In den Straßen wird oft wild getanzt, meistens scheinbar ohne Grund.
-- Tolle Musik aus New Orleans wird eine Hauptrolle spielen, aber das meiste davon haben sie noch nie gehört.
Er schließt die Aufzählung mit den Worten: "Es ist ein Wunder, dass die Serie gemacht wurde und so lange lief." 
Nicht alle Figuren sind sympathisch und selbst die sympathischen machen immer wieder die Art Fehler, wo man als Zuschauer zusammenzuckt. Eine der direktesten und besten Figuren für mich ist Antoine Batistes Lebensgefährtin Desiree, gespielt von der Laienschauspielerin Phyllis Montana LeBlanc, die als eine der Interviewpartnerinnen in Spike Lees Dokumentar-Epos When the levees broke auf sich aufmerksam machte.
Mich fasziniert vor allem die Atmosphäre der Serie, die einen förmlich einsaugt, und natürlich New Orleans, das absolut wiederzuerkennen ist. Für das "es richtig treffen" sorgten sicher die mitarbeitenden lokalen Autoren wie Lolis Eric Elie, der sogar noch ein Kochbuch zur Serie herausgebracht hat. 
Die Serie hatte viele Fans und wenige Zuschauer. Manche New Orleanser haben sie nicht gesehen, weil sie Angst hatten, es würde ihnen zu nahe gehen. Doch wenn man die Kommentare liest, hat sie Einheimische und vor allem auch Auswärtige tief berührt. Wie einer schreibt, mehr als Spike-Lees Katrina-Requiem. 
Was Treme so besonders und so wichtig macht, ist, dass es das lebendige New Orleans zeigt, wie und warum die Leute immer noch oder wieder oder überhaupt erst hier wohnen und leben wollen. Schade, dass es vorbei ist. Gut, dass es es gibt (in 36 Folgen).
Mehrere Soundtrack-Alben sind erhältlich und ab Ende Januar gibt es die DVDs (wie es scheint nur auf Englisch und vorerst nur für den amerikanischen Markt).
Vorschauen, Videos, Zusammenfassungen finden sich hier.
In der Times-Picayune werden die Anspielungen und Hintergründe der einzelnen Folgen erklärt, Treme explained.



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