Teile von New York und anderen Städten stehen unter Wasser,
es gab Brände, unzählige Bäume sind umgestürzt, Menschen gestorben. 7,5
Millionen Menschen an der Ostküste waren ohne Strom, die Skyline in Manhattan
im Dunkeln. In 16 Bundesstaaten sind Notunterkünfte des Roten Kreuzes
eingerichtet. Die New York Times titelt, dass es Tage dauern wird, bis alles
wieder normal läuft. Allein wie ein so gigantisches unterirdisches System wie
die New Yorker U-Bahn (das sicher ohnehin nur funktioniert, weil es noch steinalt
und mechanisch ist) wieder in Gang kommen soll, ist unvorstellbar. Noch dazu,
wenn in den Tunneln immer noch das Wasser steht. Ich bin gern in New York und
ich mag Washington und viele andere Orte, die betroffen sind.
Und doch dachte ich gestern kurz: „Jetzt sehen die mal, wie
das ist.“ Und fragte mich gleich, wer genau sind „die“? Es sind natürlich nicht
meine Freunde und Bekannten an der Ostküste, es sind nicht die Leute, die
gestorben sind oder denen der Wind in Chelsea die Fassade zu ihren Wohnungen weggerissen
hat. Aber dort, wo viele der Macher wirken, ist Sandy plötzlich einfach vor die Haustür gekommen und rückt ins Bewusstsein, was so ein Hurrikan bedeutet. Wie wichtig
die FEMA (die Bundeskatastrophenbehörde) ist, die unter George Bush degradiert
wurde, und die Mitt Romney weiter reduzieren und deren Verantwortung er den
einzelnen Bundesstaaten auferlegen will. Dass Ausmaß und Häufigkeit von
Naturkatastrophen zugenommen haben und der Zusammenhang mit der Erderwärmung
ist so offensichtlich, dass sich Wissenschaftler eigentlich endlich nicht mehr
für diese Erkenntnis erklären und verteidigen müssten. Manchen Republikanern
gegenüber müssen sie das immer noch, und auch der liebenswürdige Obama ist in
dieser wie auch in vielerlei anderer Hinsicht sehr zögerlich geworden.
Möge der Hurrikan all denjenigen, die über New Orleans und Louisiana
den Kopf schütteln, ein Licht aufgehen lassen. Denen, die denken, dass nur
Verlierer und Faulenzer in einer Gegend wohnen, die immer wieder
überflutet. Dass diejenigen, die auf Häuserdächern, in Notunterkünften, auf
Brücken, durch das Wasser watend gezeigt wurden, minderwertig und dumm oder
vielleicht auch sündhaft sind und ihr Schicksal irgendwie verdient haben.
Viele Amerikaner schämen sich zutiefst für Katrina, sind schockiert, dass ihr Land eine Stadt und ihre Menschen so im
Stich gelassen hat, dass so etwas in ihrem Land möglich war. Das höre ich, das
lese ich immer wieder, auch bei den jetzigen Berichterstattungen wird der
Vergleich zu Katrina gezogen.
Selbst in dem absurden, mit popkulturellen gespickten
Zombieroman Brains von Robin Becker gibt
es zum Schluss eine winzige Passage des, ja, Gedenkens an Katrina.
Zombieprofessor Jack Barnes, der schreiben, aber nicht mehr sprechen kann,
nähert sich mit seiner Gruppe denkender Zombies auf einem Boot dem Ufer, wo ein
paar Soldaten und andere sie erwarten. Er hält ein Schild hoch: WE ARE YOU!
(Wir sind ihr.) Sein Begleiter schlägt vor, die Soldaten anzusprechen:
„... sobald
sie wissen, dass ich sprechen kann, können sie uns nicht umbringen.
[Jack:] Ich traute dem Militär nicht. Ich dachte an Hurrikan
Katrina. Die Amerikaner dort konnten sprechen. Die Amerikaner dort hatten genau
wie ich Schilder hochgehalten. Auf Dächern gestrandet, von steigenden Fluten
umgeben. Hilft uns, stand auf den Schildern. Rettet uns.“
(„...once they know I can speak, they can’t kill us.“
I didn’t trust the military. I remembered Hurricane Katrina.
Those Americans could speak. In fact, those Americans held up signs just as I
had. Stranded on rooftops, the floodwater rising. Help us, the signs said. Save
us.)
Möge Hurrikan Sandy auch
den letzten ein Licht aufgehen lassen.
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