Um gewisse Meilensteine der amerikanischen (Pop)-Kultur
kommt man eigentlich nicht herum: Pollyanna,
Dr. Seuss, The Sound of Music, Saturday
Night Live... Und doch habe ich mich um
einige bisher erfolgreich gedrückt, Star Wars zum Beispiel. Football habe ich nur einmal live und
von Anfang bis Ende gesehen, wobei mich das tailgating (d.h. das Grillen,
Feiern, auch Zelten auf dem Parkplatz am Stadion) am meisten beeindruckt hat. Baseball kenne ich nur als Softball
für Schulmädchen und beim Training. Auch um Vom Winde verweht habe ich lange einen Bogen gemacht, bis es letzte
Woche so weit war.
Es geht bekanntlich um Scarlett O’Hara, älteste Tochter
eines Plantagenbesitzers in Georgia, der selbst irischer Abstammung ist und mit
irischem Akzent spricht. Am Anfang des Films flirtet Scarlett mit den jungen
Männern der Umgebung, und überhaupt spannt sie mit Vorliebe ihren Freundinnen
und Schwestern die Männer aus. Sie ist falsch und manipulierend, und das machte
sie mir sofort so unsympathisch, dass ich den Film nach 10 Minuten anhielt und
monatelang keines Blickes würdigte. Gespielt wird Scarlett noch dazu von Vivien
Leigh, die schon in Endstation Sehnsucht
als Blanche eine äußerst nervige Figur abgab.
Scarlett liebt eigentlich nichts und niemanden, außer
vielleicht das Anwesen, auf dem sie aufwuchs, Tara, das immer wieder eine Rolle
spielt. Sie ist hübsch und weiß sich in Szene zu setzen, sie ist auch taff,
gerissen, geschäftstüchtig, und – und das ist vermutlich ihre große Stärke – an
Konventionen liegt ihr wenig. Als sie bei Nachbars eingeladen ist, erfährt sie
zu ihrer Enttäuschung, dass der Sohn Ashley Wilkes (damals war Ashley noch ein
Männername) seine Cousine heiraten will und nicht sie. Also macht sie ihm rasch
ein Liebesgeständnis, zufällig mitgehört von Rhett Butler, der wiederum von ihr
gerade wegen ihrer Unverfrorenheit sehr angetan ist. Auf der Party wird auch
beschlossen, dass man gegen den Norden in den Krieg ziehen wird.
Der Bürgerkrieg prägt dann auch den größten Teil des (2 DVDs
umspannenden) Films. Die vielen Verwundeten und Toten, die Zerstörung, die Not
dieses Krieges werden vorstellbar. Scarlett
kümmert sich ihm zuliebe um Ashleys Frau, die ihr eine tiefe Zuneigung und
Dankbarkeit entgegenbringt. Mit Melanie zusammen arbeitet sie auch kurzzeitig
in einem Lazarett, bis sie das Elend dort nicht mehr ertragen will. Zwei Ehen, die
sie aus unlauteren Motiven einging, enden mit dem jeweiligen Tod des Mannes.
Treu an ihrer Seite bleibt vor allem Mammy, ihre schwarze Amme, gespielt von
Hattie McDaniel, die für ihre Darstellung als hörige Sklavin, auch als sie keine
mehr ist, kritisiert wurde. Ob das wirklich so stereotyp ist, wie ihr
vorgeworfen wird? Ammen, die Kinder wie Mütter aufziehen und vielen Fällen auch
stillen, entwickeln doch sicherlich eine starke Loyalität zu diesen Kindern.
Scarlett kehrt auch während des Krieges nach Tara zurück und
verteidigt es gegen alle möglichen Angriffe. Bei Geldknappheit und Hunger schwört
sie sich, nie wieder in eine solche Situation zu kommen.
Rhett Butler, der Schwerenöter und Geschäftemacher, taucht
immer wieder auf und neckt und hofiert sie. Schließlich heiraten
die beiden, und Scarlett scheint auch sexuell erfüllt mit ihm zu
sein, doch immer wieder kommt es zu Streit, Bockigkeit und Missverständnissen
zwischen den beiden, wegen der Tochter, wegen Scarletts Versuchen, Ashley für
sich zu gewinnen usw. Rhett, dessen Charme im Laufe des Films zumindest mein
Herz gewinnen konnte, verlässt sie am Ende mit der Kult gewordenen Bemerkung:
„Frankly, my dear, I don’t give a damn.“ (Ehrlich gesagt, meine Liebe, ist mir
das scheißegal. Die deutsche Synchronfassung lautet „Offen gesagt,
pfeif ich drauf“.) Scarlett zieht sich auf Tara zurück, um sich zu sammeln und
zu planen, wie sie ihn zurückgewinnen kann.
Es gibt auch eine kurze Szene in New Orleans, wohin die
beiden mit einem Raddampfer in die Flitterwochen fahren, bevor Scarlett schnell
nach Tara zurück möchte. Ich hatte immer gedacht, dass der Film auf der
legendären Oak Alley Plantation in Louisiana spielte, aber das war ein Irrtum.
Tara oder Twelve Oaks soll von der Boone Hall Plantage in der Nähe von
Charleston inspiriert sein, während Oak Alley Schauplatz für viele andere Filme
war, siehe hier.
Worin die Faszination des Films besteht? Die Monumentalität,
die erstaunlichen Farben und Effekte und die Musik kann man sicher nur bei einem großen Bildschirm wertschätzen. Doch die Darstellung des Bürgerkriegs war
beeindruckend und plastisch, wie ich sie noch nicht gesehen hatte. Die
Rassenbeziehungen werden nicht sehr vorteilhaft, aber wohl halbwegs akkurat
dargestellt. Neben den schönen Kleidern und der Darstellung eines Südens und einer Zeit, die es nicht mehr gibt, faszinieren vielleicht auch gerade die Beziehungen. Eine schwülstige Liebe „bis an das Ende der Tage“ gibt es hier nicht, denn Ashley und seine Frau verbindet eine tiefe Freundschaft und möglicherweise Seelenverwandtschaft, und Rhett Butler und Scarlett O’Hara teilen eine starke, aber kratzbürstige Anziehung, die zum Teil auch ein Spiel ist, das am Ende aus Dummheit und Eitelkeit scheitert. Es nicht einfach ein Liebesfilm nach altbekanntem
Muster, sondern eher ein Lehrstück über Beziehungen.
Insgesamt ein Schinken, sicher, aber doch ein ungewöhnlicher Schinken mit feinen Nuancen und differenzierten Geschmacksnoten. Einer, den man sich ruhig einmal gönnen kann.
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