Im Februar habe ich hier eine Karnevalsgeschichte eingestellt, in meiner Übersetzung, die zwar etwas melodramatisch ist, aber doch einen kleinen Eindruck des New Orleans am Anfang des 20. Jahrhunderts gibt. Titel: Odalie, geschrieben hatte sie die junge Alice Dunbar-Nelson (1875-1935). Siehe hier.
Inzwischen habe ich mich etwas mehr mit der Autorin beschäftigt und möchte sie hier vorstellen. Geboren wurde sie als Alice Ruth
Moore in New Orleans. Sie war Kreolin und gehörte somit zur „multiracial“,
traditionell französischsprachigen Gruppe der „Farbigen“ („people of color“), obwohl sie
auch fälschlicherweise als Afroamerikanerin geführt wird. Ich habe hier schon erwähnt, dass in New Orleans fast nichts einfach schwarz-weiß ist und es historisch bedingt viele freie Schwarze gab und viele dunkelhäutige Kreolen (siehe Mary Gehmans Buch Free People of Color). Diese
ethnisch-rassische Unbestimmtheit und Fragen der Identität sowie die damit
verbundene Anerkennungshierarchie innerhalb der Minderheit thematisiert Alice Dunbar-Nelson in
einigen ihrer Texte (darunter „The Stones of the Village“ -- „Die Steine des Dorfs": über einen hellhäutigen Aufsteiger, der seine afroamerikanischen Wurzeln verleugnet, „Brass Ankles Speaks“ -- „Messingknöchel spricht sich aus" -- autobiografischer Bericht über ihre Kindheit als fast weißes Mädchen unter Schwarzen).
Alice Dunbar-Nelson studierte an der
Straight University (heute Dillard) und arbeitete ab 1892 als Lehrerin. Sie gründete in Brooklyn eine Mädchenschule. Sie lebte in New York, Washington D.C. und Wilmington, Delaware. Sie war politisch aktiv, setzte sich für die Rechte der Afroamerikaner und Frauen ein, für Bildung und das Frauenwahlrecht, gegen Lynching usw. 1898 heiratete sie den Lyriker
Paul Dunbar, wurde aber nach vier Jahren geschieden. Sie heiratete dann den
Arzt Henry A. Callis und schließlich Robert J. Nelson, einen Lyriker und
Bürgerrechtler. Wie Paul Dunbar wird sie zur Harlem Renaissance gezählt.
Mit 20 erschien ihre erste Kurzgeschichtensammlung Violets and Other Tales; die zweite The Goodness of St. Rocque and Other Stories kam 1899 heraus. Neben Gedichten und Kurzgeschichten begann sie mindestens drei Romane zu
schreiben. Sie verfasste zahlreiche politische Essays und Kolumnen,
akademische Artikel und ein ausführliches Tagebuch.
Einige ihrer
Kurzgeschichten, u. a. „Odalie“ und eine weitere Karnevalsgeschichte „A Carnival Jangle“ sind sehr sentimental, aber in dieser
Sentimentalität gelingt es ihr oft, anhand eines einzelnen Schicksals ein
bestimmtes Problem zu thematisieren.
Mir gefallen vor allem Essays wie „The Woman“, wo sie darüber nachdenkt, warum berufstätige
Frauen eigentlich heiraten sollten. Sie verfasste auch eine Zeitungskolumne
unter dem Titel „From A Woman’s Point of View“, dann umbenannt in „Une Femme
dit“. Interessant ist für mich in ihren früheren Geschichten auch der Bezug auf
New Orleans mit seiner französisch-kreolischen Prägung.
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