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Letzten Freitag ist Ex-Bürgermeister Ray Nagin der
Korruption angeklagt worden. Als er 2002 ins Amt gewählt wurde, war er ein
großer Hoffnungsträger gewesen: relativ jung, elegant, gut aussehend, und als einer der erfolgreichen Manager der Kabelfirma Cox Communications – so hoffte
man – unbelastet von den Verstrickungen und Mauscheleien der politischen Kaste
in New Orleans. Eine Art Lichtgestalt. Während der Katrina-Katastrophe war auch
er heillos überfordert, machte jedoch auf sich aufmerksam, als er in einem
Interview am 3. September 2005 die Bush-Regierung für ihre Tatenlosigkeit beschimpfte.
Auch mit seiner Erklärung im Januar 2006, dass New Orleans wieder „chocolate“
werden würde, machte er Schlagzeilen. Obwohl man in New Orleans sagte, dass
Katrina ihn „gebrochen“ hätte, wurde er 2006 für eine zweite Amtszeit gewählt.
Nach Katrina war immer vom Ausverkauf der Afroamerikaner die
Rede. Spätestens diese Anklage deutet darauf hin, dass Nagin und andere
Stadtväter, zumeist selbst Afroamerikaner, an diesem
Ausverkauf Teil hatten. (Zu sehen übrigens auch in der Fernsehserie Treme.) Ein Bundesgericht klagt ihn jetzt für die Annahme
von Bestechungsgeldern, für Geldwäsche und viele andere Sachverhalte an, was
auch der deutschsprachigen Presse fast überall eine kleine Meldung wert ist. Die Times-Picayune hat einige dieser Transaktionen analysiert. Seit 2010 lebt Nagin übrigens in der Umgebung von Dallas.
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Übernächstes Wochenende (am 3. Februar 2013) findet das
Football-Abschlussspiel der Saison 2012, der so genannte Super Bowl, in New Orleans statt. Die Baltimore
Ravens spielen gegen die San
Francisco 49ers, im Superdome, der während
Katrina tagelang als Zuflucht für Tausende Betroffene diente und seit der
Renovierung nach einer großen deutschen Automobilfirma benannt ist. Die Stadt
bereitet sich seit Längerem auf den Tag vor und hofft vermutlich, dass dies ein
weiterer Schritt zur Rehabilitierung ihres Rufs als Touristenattraktion ist und
ihr einen wirtschaftlichen Aufschwung beschert, was sich möglicherweise
schon ein wenig abzeichnet. Der Flughafen wurde ausgebaut und die Straßen in
der Umgebung erweitert und repariert, so dass man dort nur auf Einbahnstraßen
im Kreis fahren konnte. Der größte Einschnitt: Die Termine für zahlreiche
Mardi-Gras-Paraden mussten verschoben werden, da die Karnevalssaison auf
Hochtouren läuft, noch bis zum 12. Februar. Dies betraf zum Beispiel die Krewe
de Vieux (zu Fuß, durchs French Quarter), die schon letztes Wochenende umzog.
Alicia Keys wird die Nationalhymne singen; Beyoncé tritt in der
Halbzeitpause auf.
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2012 berichtete die Times-Picayune in der achtteiligen Reportageserie „Louisiana
Incarcerated*“ (Louisiana eingesperrt) ausführlich über das korrupte
Gefängnissystem Louisianas, in dem mehr Menschen als im Rest der Welt hinter
Gittern leben. Am 4. Februar 2013 wird diese Serie mit dem John Jay
HF Guggenheim Prize for Excellence in Criminal Justice Reporting 2012-2013 (also für Berichterstattung über das
Strafrechtssystem) ausgezeichnet. Allerdings hat sich die Times-Picayune inzwischen auf Digital verlegt und bringt nur
noch drei Druckausgaben wöchentlich heraus. Im Zuge dieser Umstruktierung
wurden zahlreiche Reporter entlassen, darunter 9 der 20 an der Serie
beteiligten Journalisten. Eine davon, Cindy Chang, arbeitet jetzt bei der Los
Angeles Times. Das Preisgeld, meinte sie,
wird dem DashThirtyDash-Fond
gespendet, der entlassene Times-Picayune-Reporter unterstützt. Diese Nachricht habe ich aus dem Gambit und nicht aus der T-P.
* Zwar habe ich letztes Jahr hier über die Serie berichtet, aber erst
jetzt ist mir der klevere Titel aufgefallen: Louisiana Incarcerated, wobei „Inc.“ in etwa „GmbH“ bedeutet.
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