Ein Grund, warum ich meinen Beruf so liebe, ist, dass ich
unfreiwillig die interessantesten Sachen lerne. Das Museum of Modern Art in New
York zum Beispiel, für das ich gerade (ja, leider auch am Sonntag vor Weihnachten)
Auszüge aus dem Katalog übersetze, hat die ungewöhnlichsten und aufregendsten
Ausstellungsstücke. Dazu gehört auch ein Ausdruck des
Eine-Million-Dollar-Block-Projekts des Instituts für Architektur, Planung und
Erhaltung (Graduate School of Architecture, Planning and Preservation) der New
Yorker Columbia University.
Das Million Dollar Block-Projekt visualisiert Daten des
Strafjustizsystems pro „Block“, d.h. pro von Straßen an allen Seiten
eingegrenzter Straßenzug. Wenn man nämlich auf diese Weise visualisiert, woher
die ca. 2 Millionen Gefängnisinsassen in den USA stammen, dann leuchten einige
Viertel knallrot auf. Zugleich sind das die Blocks, in denen der Staat
statistisch gesehen mehr als eine Million Dollar ausgibt, um dessen Bürger hinter Gitter zu sperren. Und das ist ausnahmslos immer mehr
Geld, als in diesem Viertel in Infrastrukturmaßnahmen und öffentliche Einrichtungen investiert wird. Somit, so die leitende Professorin Laura Kurgan,
überlässt man die öffentliche Sicherheit in jenen Vierteln der Justiz, und das
funktioniert natürlich nicht.
Der Projektausdruck im MoMA stammt schon von 2006. Seitdem
hat das Projekt auch schon etwas bewirkt, zum Beispiel in New Haven,
Connecticut, wo ehemalige Häftlinge durch Wiedereingliederungsmaßnahmen eine
temporäre Wohnung und eine Berufsausbildung erhalten und damit eine Chance für
einen Neuanfang erhalten.
Im Stadtteil Central City in New Orleans werden sogar 5 Millionen
Dollar für das Einsperren der jungen Männer investiert. Mit 316 Morden auf
100.000 Einwohner im Jahr 2007 sind ganze Straßenzüge dort die tödlichsten Gebiete
der USA. Im selben Jahr kamen 55 Einwohner ins Gefängnis und 211 brachen die
Schule ab. Noch 2009 hatte Central City gehofft, einer der 20 „Promise
Neighborhoods“ (Vielversprechenden Kieze) zu werden, die für Bildungs- und
andere Programme Geld aus Washington bekommen. Das hat nicht geklappt. Zwar gibt es inzwischen einige andere Projekte, aber noch lange nicht genügend. Dafür gibt es Kirchen, in denen man für einen Job beten kann, und es gibt die Bauunternehmerin Candice McMillian, die sich aus der Armut hochgearbeitet hat und immer noch in Central City lebt, um Jobs gleich den Bedürftigen geben zu können. Und das funktioniert, wie sie erzählt. Hier.
Veröffentlicht hat das Million Dollar Block-Projekt seine Ergebnisse übrigens in einer Broschüre mit dem Titel Architecture and Justice. Ich überlege noch, was hier die richtige Übersetzung ist: Architektur und Justiz oder Architektur und Gerechtigkeit... ?
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