Liebe Leute, es geht mir gut.
Ich bin umgezogen und freiwillig wieder einmal
zum Landei geworden. Die Waschmaschine funktioniert, mein Bett steht und mein
Schreibtisch auch, und ansonsten lebe ich seit Tagen zwischen Kisten. Es ist
wunderschön hier. Ich blicke auf olle Schuppen und mehrmals Getautes und wieder
Gefrorenes und Matsch und braunes Gestrüpp. Aber auch schwarz-weiße Pferde und
braune Ponys, ab und zu eine Katze, viele Vögel, Schwärme von vorüberziehenden,
krähenden Kranichen, und nachts funkeln die Sterne... In der Nähe gibt es viel
wilde Heide, die durch freilebende Rinder renaturiert werden soll. Überall ist
das ausführlich auf Schildern erklärt und die Wege sind mit EU-finanzierten
Steinskulpturen gesäumt. Am Montag habe ich mich im Hauptort angemeldet; bei
der Frage nach einer Wartenummer belächelte man mich ein bisschen – ich war die
einzige. Überhaupt ist alles entspannt und freundlich, und das nur 1 Kilometer
von der Berliner Stadtgrenze.
Was das mit Louisiana zu tun hat? Fast nichts. Außer, als
ich heute früh so am Schreibtisch saß und wartete, dass meine unendlich
langsame Internetverbindung – langsamer als ein louisianischer
Postschalterbeamter, falls das möglich ist – mir eine Seite aufmacht, da fühlte
ich mich plötzlich in mein Holzhäuschen in Baton Rouge zurückversetzt. Dort saß
ich an einem riesigen, laut rauschenden Computer, der auch so langsam war, und sah mit einem
durch Fenster und Gazeveranda gefilterten Blick ins Grüne: Feigenbäumchen,
Bananenstauden, Crepe Myrtles und ab und zu der Postbote oder ein UPS-Mensch,
und viel viel Sonne. Rinder und Pferde gibt es nicht allzu viele in Louisiana,
aber die dortige Ruhe und Gelassenheit hoffe ich hier im kühlen Klima
wiederzufinden. Mit der Postbotin habe ich mich auch schon bekannt gemacht.
Aus New Orleans gibt es auch Neues: Mitch Landrieu ist im ersten
Wahlgang mit 64% zum Bürgermeister wiedergewählt worden*, der frühere
Bürgermeister, die vormalige Lichtgestalt Ray Nagin steht weiter wegen
Korruptionsvorwürfen vor Gericht, das mit BP und anderen Katastrophen ist noch
lange nicht ausgestanden.
Übrigens, NPR funktioniert hier draußen mindestens so
gut wie in der Stadt. Dort zuletzt gehört: In der Sendung Tell Me More mit
Michelle Martin ein Interview mit Soundbites der Sängerin Leyla McCalla, die
auch Banjo und Cello spielt. Auf ihrem, per Crowdfunding finanzierten,
Solodebüt hat sie Gedichte von Langston Hughes vertont und spielt auch
haitianische Lieder, die sie in New Orleans kennengelernt hat. Sehr schön. Zu
lesen und hören hier.
Auch vor kurzem auf NPR: On Point mit Tom Ashbrook
sendete aus New Orleans zum Thema „American Coastlines“, mit dem
Times-Picayune-Kolumnisten Jarvis DeBerry, der Professorin Denise Reed von UNO
und dem Wissenschaftler Tommy Michot vom Institute for Coastal Ecology in
Lafayette. Hier.
* In diesem Artikel mehr über seinen Herausforderer der
letzten Minute, Michael Bagneris, der 33% der Stimmen erhielt und Landrieu
aufforderte, mehr in traditionell afroamerikanische Viertel zu investieren und
die Sicherheit aufzustocken. Er stellte eine Besucherzahl von jährlich 9-10
Millionen einer Zahl von 1.200 Sicherheitskräften gegenüber.
Was hier anders ist: Direkt vor meinem Fenster geht ein Weg entlang, den immer wieder Spaziergänger und Radfahrer frequentieren. Die meisten beäugen neugierig unser Haus. Ich habe mich noch nicht getraut zu winken, aber ich gucke zurück und genieße den kleinen Laufsteg des Stinknormalen hier vor dem Fenster.
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