Als Kind habe ich mich immer gewundert, dass Amerika im
Wilden Westen liegen sollte – auf meinem Globus lag es ganz weit im Osten,
noch hinter der Sowjetunion. Auch das mit der Stiefelform Italiens leuchtete
mir lange nicht ein, aber als ich jetzt gelesen habe, dass Louisiana wie ein
Stiefel aussehen soll, war mir das gleich ganz klar – eher ein Eskimostiefel
als einer von Prada.
Allerdings sieht es jetzt gar nicht mehr so aus. Laut einem
Bericht im Business Insider hat der Bundesstaat zwischen 1932 bis 2000 eine
Fläche von knapp 5000 Quadratkilometern verloren, fast die gesamte Fläche des
Staates Delaware. Jede Stunde versinkt eine Fläche in Größe eines
Football-Felds im Wasser, etwa ein halber Hektar, also etwas weniger als ein
Fußballplatz, wie ich hier vielleicht irrtümlicherweise mal angegeben habe.
Damit erodiert die Küste Louisianas schneller als alle anderen Küsten des
Planeten, so der Journalist Bob Marshall.
Die Tat- und Ursachen sind bekannt: die industrielle Nutzung
und Begradigung des Mississippi, die Zerstörung der Süßwassermarschen durch
Ölexplorationsfahrten, die Ölindustrie generell, das Wetter und der
Klimawandel. Getan wird fast nichts.
Das bedeutet: Der Stiefel hat schon lange seine Sohle
verloren und ist unten völlig ausgefranst und dort, wo das Vorderteil mit dem
Schaft verbunden ist, klafft ein immer breiter werdender Riss (u.a. das
Atchafalaya Basin). So würde eine aktuelle, genauere Karte Louisianas aussehen,
auf der die nicht betretbaren Flächen als solche verzeichnet sind, aber
offiziell gibt es diese Karte nicht, denn dann hätte das eine politische
Dimension. Also sinkt Südlouisiana weiter.
Spätestens Hurrikan Katrina und die BP-Ölpest ließen auch
die Künstlerin Dawn DeDeaux aus New Orleans an den Untergang denken. Stephen
Hawkings Ausspruch, dass wir nur noch 100 Jahre hätten, nicht um die Erde zu
retten, sondern um sie verlassen, ist das Motto ihrer Installation MotherShip,
die sie für die aktuell laufende Biennale Prospect New Orleans P3+ schuf. Kurioserweise
musste eine Veranstaltung am 19. Dezember wegen Dauerregens verlegt werden.
Interessant ist auch der Art Shack der Künstlerin, ein Shotgun-Haus, bei dem
die Spuren von Katrina bewusst sichtbar sind (Wände, die nur noch aus
Holzstreben bestehen, verbranntes Holz usw.). Hier.
Auch politische Geschehnisse könnten Untergangsstimmung heraufbeschwören. Nach drei Legislaturperioden wurde Mary Landrieu, die Tochter des
früheren und Schwester des jetzigen Bürgermeisters von New Orleans, als
demokratische Senatorin nicht wiedergewählt. Ihren Platz nimmt jetzt einer von
diesen grauhaarigen, geschniegelten Republikanern mit viereckigem Kopf und
vielen Kindern ein, der natürlich von der National Rifle Association, der
Waffenlobby, unterstützt wird. In diesem Fall heißt er Bill Cassidy und stammt
ursprünglich aus einem Vorort von Chicago. Auch um Mary Landrieu hatte es
übrigens Kontroversen gegeben, aber sie war eben doch einer der demokratischen
Pfeiler aus einem bis in die siebziger Jahre durchgehend von demokratischen
Gouverneuren (danach immer wieder wechselnd) regierten Bundesstaat.
Auch nicht schön: Der republikanische und sehr konservative
derzeitige Gouverneur Bobby (Piyush) Jindal ruft im Januar 2015 zu einem
Gebetsmeeting mit Unterstützung der American Family Foundation auf, das
ausgerechnet auf dem Campus der Louisiana State University, der Flagship
University des Bundesstaates, stattfinden soll (hier). Erwähnt sei auch, dass sich der
Gouverneur bis zuletzt gegen die Gesundheitsreform gesperrt hat und sich für
die Lehre des Kreationismus an den Schulen einsetzt, mit der NRA auf du und du
steht, gegen Abtreibung und gegen die Homo-Ehe ist usw. Er wird als einer der
möglichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten gehandelt.
Aber vermutlich wird Louisiana auch das irgendwie überleben.