Anders als die vorhergehende Biographie An Unfinished
Woman ist Pentimento nur bedingt chronologisch aufgebaut, denn es besteht aus
7 Kapiteln, von denen die meisten mit einem Namen oder einem Wort überschrieben
sind. Die ersten drei davon, Bethe, Willy, Julia, sind die eindrücklichsten.
Darin werden wichtige Personen aus dem Leben von Lillian Hellman aus der
Perspektive als Mädchen oder als junge Frau eher erzählt als porträtiert. Das
ist ziemlich meisterhaft gemacht, denn man erfährt mit diesen dreien etwas aus
dem Leben der Autorin aber auch über sie als Mensch, so dass es letztendlich gar nicht klar ist, wer
hier eigentlich porträtiert wird.
Das dritte Kapitel, Julia, hat etwas Atemloses und hält in Atem, denn darin geht es um eine New Yorker Freundin der
Autorin aus begüterten Verhältnissen, die während der Nazizeit in
Europa im Untergrund aktiv ist, dort ein Bein verliert, ein Kind zur Welt
bringt und schließlich getötet wird. Das ist alles sehr geheimnisvoll, so zum
Beispiel wenn Lillian Hellman auf ihrer Reise von Berlin nach Moskau auf sehr
komplizierte und undurchsichtige Weise über viele Mittelsmänner und –frauen
Geld über die Grenzen schmuggelt. Das Problem an der Julia-Geschichte
ist, dass sie möglicherweise nicht stimmt. Vielmehr scheint sie in leicht
abgewandelter Form das Schicksal von Muriel Gardiner Buttinger zu beschreiben
(Codename: Mary), mit der L. Hellman einen gemeinsamen Bekannten hatte, was die
Lügenbezichtigung von Mary McCarthy, über die ich hier schon geschrieben habe, wohl
noch untermauert.
Auch in Nora Ephrons Theaterstück Imaginary Friends von 2002
geht es um diese berühmte Kontroverse. Dafür gab es gemischte Kritiken, jedoch hielt ein Kritiker die Gegenüberstellung der beiden Frauen als diametral entgegengesetzte Göttinnen Fakt und Fiktion für gelungen. Im
Frühjahr 2014 lief Off-Broadway ein weiteres Theaterstück von Jan Buttram zu dem Thema (Hellman v. McCarthy). Darüber heißt es in einer Kritik: „The play itself isn’t all
that good...“ Und: „McCarthy
(Marcia Rodd) gilt meistens als die Heldin, aber hier wirkt sie
selbstgerecht und falsch, während Hellman als misslauniges, bitterböses
Lästermaul höchst unterhaltsam ist.“
Mich hat Pentimento begeistert, weil die Geschichten so
fesselnd und raffiniert erzählt sind. Ich finde es befreiend, dass Lillian
Hellman sich nicht in die Rollenklischees für eine Frau und Schriftstellerin
einfügt, sondern z.B. auch schwierig, starrsinnig und laut ist und Dashiel
Hammett damit eine komplizierte, aber ebenbürtige Partnerin. Julia fragt
sie an einer Stelle (S.114): „Are you as angry a woman as you were a child?“
Die Antwort: „I think so. I try not to be, but there it is.“ (Bist du als Frau
immer noch so wütend, wie du es als Kind warst?“ „Ich glaube ja. Ich versuche,
mich zu ändern, aber so ist es nun mal.“)
Die Berliner Schaubühne, ein wunderschöner
Zwanziger-Jahre-Bau am Ku’damm, hat jetzt ein Stück von Lillian Hellman auf dem
Spielplan, Die kleinen Füchse (The Little Foxes) von 1939, eine große Seltenheit. Ein Kritiker meint: „Hier nun die entscheidenden Erfolgsgründe. Zunächst
das Stück, Die kleinen Füchse von der Kommunistin, Säuferin, Schriftstellerin
und zu Lebzeiten erstaunlich verhassten US-Amerikanerin Lillian Hellman. Es
wird kaum gespielt, in Berlin zuletzt in den 50er-Jahren am Deutschen Theater,
mit Inge Keller in der Hauptrolle (Hauptstadt der DDR).“ Außerdem spielt Nina Hoss
die Hauptrolle der Regina Giddens, ein weiterer Grund, warum
es immer ausverkauft ist, wie ich meiner nicht repräsentativen Umfrage unter
den neben mir Sitzenden entnehmen konnte, während die Autorin Lillian Hellman ziemlich unbekannt ist.
Der Inhalt lässt sich vielleicht mit einem passenden
Zitat aus Pentimento zusammenfassen: „... not too many years later... I
understood that I lived under an economic system of increasing impunity and
injustice for which I, and all those like me, pay with ridiculous wounds to the
spirit.“ (Nicht allzu viele Jahre später wurde mir klar, dass ich in einem
wirtschaftlichen System der zunehmenden Straffreiheit und Ungerechtigkeit
lebte, für das ich, und alle die sind wie ich, mit unglaublichen Wunden an
unserem Geist bezahlten.)
Das Personal: Regina Giddens und ihre beiden Brüder, die
Ehefrau und der Sohn des einen Bruders, ihre Tochter, ihr Ehemann, eine
Bedienstete, ein Investor aus dem Norden. Das Stück spielt in Alabama und ist von der Familie von Lillian Hellmans Mutter inspiriert. Die Familie will Geschäfte mit dem
Investor machen, doch dazu brauchen sie Geld von Reginas Ehemann, der seit
Monaten irgendwo in der Ferne im Krankenhaus ist und auf ihre Briefe nicht
reagiert. Regina, die davon träumt nach New York zu ziehen, schickt ihre
Tochter, um den Mann aus dem Krankenhaus nach Hause zu holen. Die Ehe der
beiden ist völlig zerrüttet, vor allem Regina verachtet ihren Mann und versucht
verzweifelt, für sich finanzielle Vorteile herauszuholen. Am Ende lässt sie ihren
Mann sterben, indem sie ihm Tabletten und Hilfe verweigert. Sie verliert ihre
Tochter und Brüder, aber sie hat jetzt Geld.
Neben Regina ist da noch ihre Schwägerin Birdie (gespielt von Ursina Lardi), eine verwirrte, melancholische, tragische und doch sehr liebenswerte Frauenfigur aus den Südstaaten, wie man sie später in Tennessee Williams’ Stücken findet, zum Beispiel Blanche in Endstation Sehensucht (1947). Birdie wurde von einem der Brüder geehelicht, damit er an ihr Gut kam, das daraufhin verscherbelt wurde. Sie ist jetzt Alkoholikerin, wird von ihrem Mann schikaniert und misshandelt und hat einen Sohn, den sie selbst nicht mag und vor dem sie ihre Nichte warnt. Die kleinen Füchse thematisiert somit nicht nur den Gegensatz von old money (Birdie) und Neureichen (Familie Giddens), sondern auch die finanzielle Recht- und Mittellosigkeit der Frauen. Für Lillian Hellman war das ein zentrales Problem der Gleichberechtigung, das sie für sich mit geschickten Geldanlagen löste, was man wie so viele Dinge an ihr für skandalös hielt.
Neben Regina ist da noch ihre Schwägerin Birdie (gespielt von Ursina Lardi), eine verwirrte, melancholische, tragische und doch sehr liebenswerte Frauenfigur aus den Südstaaten, wie man sie später in Tennessee Williams’ Stücken findet, zum Beispiel Blanche in Endstation Sehensucht (1947). Birdie wurde von einem der Brüder geehelicht, damit er an ihr Gut kam, das daraufhin verscherbelt wurde. Sie ist jetzt Alkoholikerin, wird von ihrem Mann schikaniert und misshandelt und hat einen Sohn, den sie selbst nicht mag und vor dem sie ihre Nichte warnt. Die kleinen Füchse thematisiert somit nicht nur den Gegensatz von old money (Birdie) und Neureichen (Familie Giddens), sondern auch die finanzielle Recht- und Mittellosigkeit der Frauen. Für Lillian Hellman war das ein zentrales Problem der Gleichberechtigung, das sie für sich mit geschickten Geldanlagen löste, was man wie so viele Dinge an ihr für skandalös hielt.
Nina Hoss ist wie immer intensiv, auch wenn es in der hitzigen, zähen und verzweifelten Stimmung des Stücks so angelegt ist. Der Text wurde offenbar radikal
überarbeitet, und es
liefen englische Übertitel, die seltsam aus dem Deutschen übersetzt klangen.
Die Bühne ist schwarz und simpel, mit einer sehr hohen, über Eck gehende Treppe, die ins obere Geschoss (aber eigentlich ins Nichts) führt. Nur hinten rechts steht hinter einer Schiebetür ein großer Esstisch parallel zur Bühne, und wenn am Anfang dort mit dem Investor aus dem Norden hinter verschlossenen Türen getafelt wird und diese Türen immer wieder aufgehen, wenn jemand nach vorn kommt und etwas sucht oder telefoniert oder die Bedienstete hineingeht, dann erinnert die Szenerie dahinter optisch an Das Abendmahl von Leonardo da Vinci und anderen. Pausen gibt es keine, die Akte werden mit lauten Musikpassagen vom Band markiert.
Vor Kurzem habe ich in
einem alten New Yorker einen Artikel über die Schauspielerin Tallulah Bankhead
gelesen, eine Diva, wie sie im Buche steht, die bei der Erstaufführung ein Jahr lang mit großem Erfolg die Hauptrolle am
Broadway gespielt hat (410 Aufführungen). Für die Filmversion wurde allerdings Bette Davis
ausgewählt. In dem Artikel wird eine Episode erwähnt, die sich auch in
Pentimento findet. Bei Partys hat die extravagante Tallulah Bankhead die Gäste
manchmal ins Schlafzimmer geführt, ihrem schlafenden Ehemann John Emery die
Bettdecke weggezogen und gesagt: „Haben Sie schon mal so einen großen Schwanz gesehen?“ Der Ehemann hat sich dann irgendwann scheiden lassen, und Tallulah Bankhead ist heute fast nur in Legenden und Büchern überliefert, weil sie vor allem Theaterschauspielerin und eben sehr exzentrisch war.
Wie es scheint, wird die Aufführung immer mehrmals hintereinander gezeigt, aber nicht in jedem Monat. Zu empfehlen, auch wenn draußen keine louisianischen Regenstürme wüten sollten...